Donnerstag, 19.07.2012
Polenztal nach Großharthau
5,5 h / 25 km
Der Tag beginnt so großartig, wie es gestern aufhörte. Einfach weiter durch das Tal, immer flußaufwärts. Nach einem kleinen Stück entlang der Straße zweigt der Weg an einer der kleinen im Tal verteilten alten Mühlen ab und schlängelt sich durch das schmale Tal. Bremsen, Hirschlausfliegen, Mücken, alles da. Seit ich die Straße hinter mir gelassen habe, ist nur noch der Wind und der Fluß zu hören. Und vielleicht später noch ein paar Kühe, die sich vielleicht einfach nur freuen, daß sie endlich mal Besuch bekommen.
Wirklich eines der schönsten Täler, in denen ich bisher gewandert bin. Bodetal? Kannste wegstellen. Eigentlich ein tolles Revier zum Zelten, kleine Wiesen direkt am Bach, aber wahrscheinlich würden die Nationalpark-Ranger jedem Camper den Kopf abschlagen. Kein Mensch zu sehen, nur an der nächsten Mühle im Tal treffe ich vier fidele Rentnerinnen, bei denen wahrscheinlich nur noch ein kleiner Grad Fröhlichkeit fehlt, damit sie anfangen, laut Wanderlieder zu singen. Aber Gott sei Dank bin ich schneller wieder im Wald... Nach gut zwei Stunden weitet sich das Tal langsam, wird immer flacher, die Wiesen werden immer breiter und bei den ersten Häusern von Polenz ist das Ganze nur noch eine sanfte Hügellandschaft mit Feldern.
Hier verlasse ich den Wanderweg und schlage mich über kleine Feldwege weiter voran. Auf die erstbeste Brücke (Abbildung rechts...) verzichte ich dank des großartigen Warnhinweises und laufe lieber einen kleinen Umweg.
Auf den Feldern sieht die Welt plötzlich ganz anders aus. Die Bergwälder der letzten Tag? Weg. Die Tafelberge der Sächsischen Schweiz? Weg. Ringsum Hügel und Getreidefelder, hier endet Berg-Sachsen und beginnt Agrar-Sachsen. Von Westen ziehen schon wieder fiese Regenwolken heran und die Windkraftanlagen auf den Hügeln freuen sich über stürmischen Wind. Der Weg, den ich mir so klug auf der Karte ausgeguckt hatte, verliert sich hinter dem Maisfeld und irgendwann stehe ich im Garten eines Bauernhofs und drücke zwischen Zaun und Gebüsch hindurch und hoffe, daß nicht von irgendwoher doofe Fragen kommen. Als Strafe gibt es nochmal einen Schwung Brennnesseln@Unterschenkel.de.
Hinter Lauterbach sehe ich die ersten Mähdrescher auf dem Feld bei der Arbeit und muß kurz daran denken, daß ich damit ein Getreidejahr komplett habe. In den ersten Tagen meiner Reise wurde in Frankreich noch der Boden umgepflügt, es folgten die Aussaht und Wochen später die ersten jungen Pflanzen. Und heute der erste Mähdrescher. Ich gucke und warte, bis die Herren ihre Monstergeräte gewendet haben (und sich dabei an der Böschung die Fahrgestelle der angehängten Mähwerke ruinieren, weil keiner Bock hat, auszusteigen und zu gucken) und ziehe weiter, auf Betonplattenwege durch die riesigen Felder.
Um nicht noch ins nächste Gewitter zu kommen, was sich im Westen schon wieder bereit macht, biege ich nach links ab, laufe auf eine ausufernde Kuhfabrik zu, die schon aus zwei Kilometern Entfernung nur mit "ausufernd" beschrieben werden kann. Riesige Ställe, militärisch nebeneinander gereiht, riesige Güllesilos und Gastanks zur Stromerzeugung, Kühe über Kühe. Die alten DDR-Ställe, die sich über hunderte Meter hinziehen, waren nicht genug, daneben sind zwei Ufos aus grünem Metall gelandet, in denen sich hunderte Kühe langweilen. Brrr... Am Waldrand treffe ich das blanke Gegenteil, ein alter Mann knattert auf seinem sehr robusten Motorrad quer über den Acker. Er tut das wahrscheinlich schon seit mindestens 30 Jahren.
Viel schneller als gedacht stehe ich Großharthau vor meinem Hotel, ein knallroter Bau mit dem seltsam unpassenden Namen "Kyffhäuser". Ich bin ein bißchen froh, daß das Erzgebirge hinter mir liegt -- trotz aller Hügel wird es die nächsten Tage sehr viel flacher zugehen. Mir soll's recht sein, ich will Strecke machen. Ich will weiter. Ich will nach Hause.
Und ich freue mich auf meine Kilometer morgen.
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