Samstag, 7. Juli 2012

Tschischelnde tscheschische Sch-Laute.

Freitag, 06.07.2012
Konnersreuth nach Františkovy Lázně (CZ)
8 h / 31 km

Der Himmel ist trügerisch blau, als ich die coole Zimmervermietung wieder verlasse. Mannomann, ich hätte nie vermutet, in dieser abgeschiedenen Ecke der hinterletzten Oberpfalz so viele so lässige Leute zu treffen. Mit der Wirtin habe ich heute früh noch viel gelacht, jetzt ist wieder die Straße dran. Schon der kleine Hügel gleich hinter Konnersreuth wird zum schweißtreibenden Gipfelsturm. Es ist der x-te Tag mit schwülheißer Luft und knallender Sonne am Stück. Und alles riecht nach Gewitter. Noch sieht es nicht so aus, aber es wird heute auf jeden Fall wieder Gewitter geben.

Die erste Wolke schleicht sich kurz vor Waldsassen von hinten an und die Geschwindigkeit, mit der sich der Himmel umkrempelt, ist atemberaubend. Aber irgendwie sind die ganzen Gewitterwolken immer nur "außenrum", über mir scheint nach wie vor die Sonne. Am Ortsrand bin ich so wahnsinnig, an der Supermarkt-Ansammlung aus Edeka, Aldi, Netto und Norma einfach vorbei zu gehen. 50 Meter weiter sehe ich meinen Fehler ein, drehe um und fülle erstmal den Getränkevorrat auf. Es wäre auch ein böser Fehler gewesen: Waldsassen serviert mit zwar im Vorbeigehen mindestens zwei Eisdielen, für die es aber etwas früh am Tag ist, aber was zu Trinken hätte ich auf dem Weg durch die Altstadt wohl nicht mehr bekommen.

Hinter dem Ort verglühen wieder die Weizenfelder in der Mittagssonne, die Bremsen schwirren erwartungsvoll um mich herum und ich freue mich auf Tschechien. Noch ein paar Kilometer und ich schlage das nächste Land auf dieser Reise auf, wenn auch nur für zwei Tage. Morgen Abend bin ich schon wieder in Deutschland, allerdings in einer komplett anderen Welt. In den letzten Tagen haben sich die Dialekte langsam vom Fränkischen zum Oberpfälzischen verschoben, so schlimm, daß ich die Leute teilweise kaum mehr verstanden habe. Heute am Telefon, als ich mit meiner Unterkunft für morgen Abend im Vogtland telefoniert habe, herrschte plötzlich wieder ein komplett anderes Deutsch. Naja, liegt ja auch ein Stück Tschechien dazwischen...

 
Das Letzte, was ich von Deutschland sehe, ist ein "Landesgrenze"-Schild, das in der Sonne brät und sich daher schon schattensuchend in Richtung Obstbaum lehnt. Die Grenze selber ist natürlich nur eine Ansammlung von Pfosten in der Landschaft, was hatte ich auch erwartet. Das Einzige, was sich drüben (drüben!) offensichtlich ändert, ist die deutlich größeren Ausmaße der Felder. Was in Bayern alles relativ klein und übersichtlich aussieht, hat in Tschechien eher Kolchose-Kragenweite. 

Im nächsten Dorf schenke ich mir die vielgepriesene Wallfahrtsanlage Maria Loreto, ziehe statt diesen lieber schnell durch Starý Hrozňatov durch und tauche wieder in den Wald ab. In der prallen Sonne auf dem Feld ist es inzwischen unerträglich geworden. Und mehr Gewitterwolken gibt's auch inzwischen. Der markierte Weg kann sich ganz entscheiden, ob er Wander- oder Radweg sein will. Mal gnadenloser Asphalt, mal matschiges Unterholz. Und die letzten Kilometer bis Cheb sogar auf einer alten Bahntrasse, von der nur noch Böschungen und Einschnitte und einige Stapel mit alten Betonschwellen übrig geblieben ist. Ich treffe die ersten Tschechen, stelle frustriert fest, daß niemand zurückgrüßen will, obwohl ich ständig freundlich "Ahoj!" schmettere. Dann eben nicht, Freunde!

In Cheb gibt es alles, was andere europäische Kleinstädte auch so haben. Manches häßlicher (Busbahnhof, Plattenbausiedlungen, Dönerläden), manches schicker (Altstadt, Festungsanlagen, Park am Stausee).



Insofern ist es mir relativ schleierhaft, wieso Horden von Busunternehmern pro Jahr geschätzte 4.500 Kaffeefahrten nach Eger (Cheb) anbieten. Nett isses hier, aber auch nicht viel mehr.

Als ich durch Cheb durch bin, gebe ich mal wieder Gas - die Gewitterwolken rücken näher. Ich bin schon soweit, daß ich beim Laufen nebenbei alle möglichen Unterschlupfmöglichkeiten scanne, um im Fall des Falles zu wissen, wo der nächste Platz zum Verkriechen ist. Der Wind frischt auf, zwischendurch schieben sich schonmal die ersten Wolken versuchshalber vor die Sonne, aber das Wetter hält noch.


Und es hält auch bis Franzensbad, wo im Kurpark noch die Kapelle spielt, wo zwischen den vielen unverständlichen Gesprächen auf Tschechisch auch sehr viel Sächsisch zu hören ist und wo irgendein Wahnsinniger einen Riesenklotz von Hotel hingestellt hat. Neuhistorische Bäderarchitektur...

Mein Zimmer ist toll und günstig, als ich zum dritten Mal die Preise der Minibar ausgerechnet habe, trinke ich ohne schlechtes Gewissen fast den ganzen Kühlschrank leer, schlafe erstmal ein Ründchen und werde passend zum einsetzenden Regen und zum Sonnenuntergang wieder wach. Die Nachrichten trompeten Unwetterwarnungen hinaus in die Nacht, ich bin gespannt, ob die Welt wirklich heute Nacht untergeht. Bis dahin köpfe ich mir noch ein Bier, sitze auf dem Balkon und schaue mir die Reste der schmutzigroten Sonne an, die hoffentlich bis morgen ordentlich gewaschen wird...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen