Dienstag, 02.07.2012
Pruppach nach Kirchenthumbach
7 h / 30 km
Die Luft draußen macht mißtrauisch. Alles ist naß und feucht von den Regenfällen der Nacht, die Wiesen dampfen in einen irgendwie warmen Vormittag hinein, aber die Luft ist wie bei einem Fleckenteppich mal schwülwarm, mal klammkalt. Das riecht doch schon wieder danach, daß ich heute nicht trocken bleiben werde.
Untenrum gibt es die erste Dusche gleich drüben auf dem Feld, 100 Meter durchs hohe Gras reichen, damit das erste Wasser die Beine hinab in die Schuhe laufen kann. Hrrrgh! Ich wandere mit einer wahrscheinlich 20 Jahre alten Karte, die mir mein Vater Gott sei Dank noch mitgegeben hat (ich hatte zu spät bemerkt, daß da ein winziges, aber wichtiges Stück Landschaft zwischen zwei Kartenblättern fehlt) und die markierten Wanderwege befinden sich überall, aber nicht dort, wo sie laut Karte sein sollten. Also folge ich erstmal trotteldoof dem roten Punkt über den Ossinger. Die 150 Meter Aufstieg in der schwülwarmen Suppe tränken mich sofort in Schweiß, obwohl es sich nicht wirklich richtig warm anfühlt.
Hinter dem Berg beginnt für mich das Niemandsland. Hier am Ossinger war ich irgendwann schonmal wandern, schon damals kam mir diese stille und entlegene Ecke irgendwie unheimlich vor. Im Neubaugebiet von Königstein sehe ich keine Menschenseele, nur eine offene Balkontür zeigt an, daß hier Leben ist.
So wie ich vor einigen Tagen bei Rednitzhembach langsam mein altes Revier betreten habe, so verlasse ich es hier wieder. Alles was in den nächsten Tagen kommt, ist mir wieder fremd, ist tiefste Oberpfalz. Dabei habe ich schon gestern Abend im Gasthof die Gespräche am Nebentisch kaum noch verstanden...
Hinter Funkenreuth wird es noch stiller. Die Straßen sind nicht mehr asphaltiert, sondern nur noch Schotterwege. Kilometer um Kilometer ziehe ich - alleine mit meinen besten Freunden, den Bremsen - über breite Waldwege, vorbei an einsamen Feldern auf Waldlichtungen. Wegweiser links zur Maximiliansgrotte. Kennichkannich. Zwei Kilometer weiter rechts beginnt der Truppenübungsplatz, um den ich heute mehr oder weniger den ganzen Tag in einem weiten Bogen herumlaufe. Außer dem kurzen Moment, in dem ich die B85 überquere, ohne ein Auto zu sehen, bin ich verschluckt von tiefgrünen Wäldern, von deren großen Wegen kaum Pfade abzweigen. Alles ist immer noch naß und dampfig, der Regen hat kleine Schluchten in die Wege gefräst, wo sich das Wasser seinen Weg bergab gebahnt hat.
Gegen Mittag trete ich wieder hinaus aufs Feld und sehe Auerbach / Opf. Wie üblich: Gewerbegebiet, Neubausiedlung, Ortsmitte. Weiter hinten sieht man über Kilometer das unbewohnte Gebiet des Truppenübungsplatzes -- ich muß bei dem Anblick schwer an das Wort "Zonenrandgebiet" denken. Das Gelände ist derart groß, daß sich die Landschaft wie durchgeschnitten fühlt. Alle Hügel und Wälder rechts von Auerbach bis zum Horizont sind Sperrgebiet, darin muß alles noch viel stiller sein als hier, wenn nicht gerade die US Army rumballert. Immerhin haben sich die Jungs schicke Feuerwehrautos geleistet, wie ich im Gewerbegebiet festellen darf. Mit US-Militärkennzeichen...
Auerbach besticht durch gepflegte Langeweile, einen verkehrsberuhigten Marktplatz im "shared space"-Konzept, was aber keinen Autofahrer kratzt, einen Bäcker mit Sinn für selbstgemachte Schokolade (dem ich ordentlichen Umsatz beschere), einer Eisdiele (die ich aus vorgenanntem Grund links liegen lasse). Ansonsten überall Schulkinder mit Döner in der Hand und ein - nun ja - Elektronikgeschäft, über dessen Namen wahrscheinlich schon so viele Witze gemacht wurden, daß es inzwischen auch schon egal ist.
Hinter dem Ort langweilt ein gut gemeintes Naturschutzgebiet, dessen Sinn mir aber aufgrund der frisch angesiedelten Bau- und Betonfirmen nebenan etwas zweifelhaft erscheint. Ich mache eine kurze Mittagspause (damit mir nicht dasselbe Szenario wie gestern passiert), suche mir einen Weg unter der Bundesstraße hindurch und schlage mich quer übers Feld. Meine Bremsenfreunde sind weiter tapfer dabei, ich fahre inzwischen ganz gut mit der Strategie, alle paar Minuten stehen zu bleiben und mit der Wanderkarte in der Hand bewaffnet alles zu erlegen, was sich hinsetzt. Hält dann für ungefähr fünf Minuten, in weiteren fünf Minuten können gerne noch ein paar Exemplare dazukommen, die dann fröhlich um mich herzumschwirren, bevor ich wieder anhalte. Soll sich ja auch lohnen.
Eine Stunde vor dem Ziel ziehe ich mal wieder das Tempo an: Der Himmel sieht furchteinflößend aus. Donner habe ich noch keinen gehört, aber DEN Trick kenne ich seit gestern. Am Ende reite ich aber doch trockenen Hauptes in Kirchenthumbach ein, erwische die Wirtin beim Rauchen hinter dem Haus. Hier hat es jedenfalls heute schon geregnet, erzählt sie mir, was ich mit innerem Triumpfgeheul zur Kenntnis nehme.
Morgen geht es weiter in die umheimliche Fremde der oberpfälzer Weiten -- am Horizont hat heute schon das Fichtelgebirge etwas rummittelgebirgt. Dahinter kommt noch mehr von der Sorte -- endlich wieder Berge!
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