Freitag, 20.07.2012
Großharthau nach Kamenz
6,5 h / 26 km
Eine Scheiß-Nacht liegt hinter mir, draußen auf der Hauptstraße immer wieder Autos und LKW, drinnen eine superschmale Gefängnispritsche, bei der ich ständig aus dem Halbschlaf hochschreckte, weil ich immer wieder dachte, gleich aus dem Bett zu fallen. Frühstück mit aftershaveschweren Handlungsreisenden, Gott sei Dank bin ich bald wieder an der frischen Luft.
Auf dem Feld geht der Wind, die Wolken drohen - wie eigentlich immer in den letzten Wochen - mit nassen Geschenken. Ich laufe die erste Stunde auf der Straße, die Landschaft gibt einfach keine kleinen Wege her. In mir wallen schon wieder die Aggressionen hoch, wenn wieder ein Auto ganz nah an mir vorbeiprescht, anstatt einfach ein bißchen auszuweichen. Den Vogel schießt der grüne Citroen ab, der auf dem Radweg kurz vor Frankenthal von hinten angebrettert kommt und erst im vorletzten Moment eine harte Bremsung macht. Fehlt nur noch, daß er gehupt hätte. Fehlt nur noch, daß ich dann einen der vielen unreifen Äpfel vom Wegesrand in der Hand gehabt hätte...
An der nächsten Kreuzung dann das Geschenk des Tages: Ein Weg zwischen den Feldern hindurch. Mit Wegweiser. Und frisch gemäht. Das ist eine sehr schicke Alternative zu einer weiteren Stunde auf der Straße! Dafür sagen die Wolken immer deutlicher, was sie von diesem Vormittag halten: Kurz hinter dem nächsten Dorf fängt der Regen an, ich freue mir trotzdem nen Ast, weil ich gerade auf eine tolle Schutzhütte am Waldrand zusteuere. Ich kann sie schon sehen! Allerdings merke ich zu spät, daß die Hütte schon besetzt ist: Oben über dem Eingang hängt ein Wespennest, das ich erst bemerke, als ich meine Wasserflasche schon ausgepackt habe. Und das plötzliche Brummen, das von da oben kommt, macht ziemlich deutlich, daß ich ziemlich schnell hier weg sollte. Nachdem ich in der ersten Panik erstmal nur meinen Rucksack gegriffen habe und aus der Hütte gerannt bin, stehe ich ein paar Minuten mit mächtig Bammel vor der Hütte rum und warte, bis sich die Wespen wieder beruhigt haben. Denn ich muß nochmal rein, um meine Flasche und die Wanderkarte rauszuholen, die noch auf dem Tisch rumliegen. Oh Mann. Die Entscheidung, dann eben doch im Regen weiterzulaufen, fällt mir nicht allzu schwer.
Die Autobahn überquere ich auf einer sehr breiten Wildbrücke, die Kilometer dahinter sind mal wieder Murks, weil Karte und Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Also eiere ich quer über ein paar Wiesen, grüße den Förster, der mich mit großen Augen aus dem Gebüsch anguckt und stehe im nächsten Dorf. Es gibt ein riesige Agrar-GmbH, ein schon lange pleite gegangenes Gasthaus und - yes! - einen Dorfladen. Der hat natürlich noch Mittagspause, aber immerhin gibt es dekorierte Schaufenster zu bestaunen. Wann habe ich das zum letzten Mal im Lebensmitteleinzelhandel erlebt?
Alle meine Hoffnungen auf Schoko-Shopping und Edeka-Einkäufe ruhen jetzt auf dem nächsten Ort Elstra, allerdings vergebens. Der Marktplatz von Elstra ist so tot wie sonstwas, kein Laden, der Fleischer macht Mittag, immerhin gibt es einen Bäcker. Mit dem einzigen Lebewesen auf dem Marktplatz (einer alten Dame, die auf den Bus wartet) teile ich die Bank unter dem Pavillondach und futtere mein Mohnbrötchen. Elstra? Abhaken.
Wieder auf dem Feld kommt der nächste Haken. Tiefhaken! Bitter ist es, wenn ein markierter Wanderweg wie rechts abgebildet aussieht. Hier kann ich mir aussuchen, ob ich in der Mitte durch Brennnessel-Wälder gehen möchte, rechts durchs Maisfeld oder links durchs Unterholz. Hrmpf. Ich bin echt froh, als ich kurz vor Kamenz wieder aus diesem Pflanzentunnel herauskomme und auf einer kurzgemähten Wiese stehe.
Kamenz ist dann doch wieder nett. Zieht sich zwar ein bißchen, aber es gibt eine aufgehübschte alte Tankstelle, einen schicken Marktplatz und ein paar schön verfallene Häuser. Abgesehen davon steht natürlich gefühlt der halbe Ort zum Verkauf, blinde Schaufenster überall, leere Wohnungen, geschlossene Geschäfte.
Ich durchkämme systematisch die Straßen der Altstadt, hier MUSS! ES! DOCH! Yes, da ist die Eisdiele, auf die ich gewartet habe. Glücklich mümmelnd setze ich mich auf den Schulhof nebenan, trotz des mahnenden Schildes "Videoüberwachung!" und blinzele in die Sonne. Wirklich kein schlechter Abschluß für so einen Tag. Morgens von Wespen in den Regen gejagt, am Nachmittag lecker Eis abbekommen.
Meine Pension findet sich am Rand von Kamenz, zwischen den Gewerbegebieten und direkt an der Ausfallstraße. Das ist zwar wunderbar verkehrsgünstig, bringt mir persönlich aber gar nix. Dann eben mal wieder eine Nacht mit Oropax, damit ich wenigstens mal wieder durchschlafen kann.
Noch 7x laufen, dann bin ich zuhause...
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