Donnerstag, 12.07.2012
Pöhla nach Wiesa
7 h / 28 km
Ich liebe Läden, die auch für einen einzigen Gast das volle Frühstücksbuffet aufbauen. Eigentlich war es sogar noch besser: Die Frühstücksdame hat mich gestern Abend schon gefragt, welche Art Brötchen ich am liebsten esse. Also drücke ich mir eine Träne weg, in dem Wissen, daß die Gute extra für mich zum Bäcker gegangen ist und mir nen Mohnzopf besorgt hat. Beim Frühstück kann ich also aus dem Vollen schöpfen, die Frühstücksdame fordert mich sogar auf, mir noch ne Stulle für den Weg zu schmieren. Gesagt, getan.
Draußen ist es weniger gemütlich. Kalt, windig, wolkig. Am Hang hinter Raschau kann ich im Minutentakt zusehen, wie aus der mittelprallen Wolkendecke bedrohliche Wolkenwände werden, weiter im Norden regnet es schon. Also gebe ich Gas, da drüben ist eine stillgelegte Bahnlinie, die wenigstens schonmal im Wald verläuft. Kurz vor dem Waldrand tastet sich der Regen schonmal langsam vor. Als ich neben der Bahnlinie auf dem Kabelkanal entlang hacke, erschrecken ein Pilzsucher im Wald und ich uns gegenseitig, der Regen dreht nochmal auf, aber da vorne kommt schon die Brücke in Sicht, die ich auf der Wanderkarte entdeckt hatte. Und da kann man sich nach wie vor gut unterstellen.
Nachdem sich ein paar Vögel schimpfend verzogen haben, habe ich das schmale trockene Band unter der Brücke für mich. Gerade noch rechtzeitig, draußen geht die Post ab. Also das übliche Regenprogramm: Spiegel lesen, ein Brötchen essen, in den Regen gucken. Irgendwann ist das Gröbste rum und ich ziehe weiter. Der Weg ist klasse - ein vergessener Wanderweg, aufgegeben, wild und zugewuchert. Am Waldrand sehe ich in der Ferne Scheibenberg (wo ich vor ein paar Jahren schonmal war) und die Basaltsäulen über dem Ort (an die ich mich überhaupt nicht erinnere). Kurz vor den ersten Häusern kommt die Sonne mal ganz kurz raus, zwanzig Minuten später regnet's schon wieder. Ich stehe mißmutig im Stadtpark unter einem Baum rum und sehe: Das lachende Nilpferd. Mein Tag ist gerettet. Das ist ja wohl das geilste Spielplatzmöbel, das ich je gesehen habe!
Oben am Ortsausgang verlaufe ich mich kurz, gucke mir aus Versehen die Basaltsäulen an (die aus der Nähe deutlich weniger spektakulär wirken als aus der Ferne), erschrecke mich über den Donner trotz inzwischen wieder größtenteils blauem Himmel, und unten an der Bundesstraße ist plötzlich wieder Sommer.
Die nächsten Kilometer bis Schlettau schwimme ich durch brusthohes Gras (patschnaß vom frischen Regen), wieder ein verwilderter Wanderweg, vom dem nur noch die halb verblaßten Markierungen an den Bäumen zu sehen sind. Hier gibt es wenigstens mal eine einsame Zecke für mich und ein paar Bremsen, damit ich mich nicht an parasitenfreie Tage wie gestern gewöhne. Die nassen Wiesen dampfen in der Sonne, der Schritt aus dem Wäldchen raus in die Sonne ist wie ein Schritt in die Sauna. Es riecht überwältigend nach Kamille und nassem Gras.
Am Badesee von Schlettau hat sich der Gemeindebauhof mit Verbotsschildern ausgetobt. Alles ist verboten. Es gibt sogar ein Halteverbotsschild für Fahrräder, weil ein paar Meter weiter ein Fahrradständer steht. Wahnsinn. Ich lasse das Dorf hinter mir und biege in den Zschopautalweg ein, der für ein paar Stunden einigermaßen unverbindlich der Zschopau folgt. Ich treffe sehr entspannte Kühe, einen mißmutigen Radfahrer, muß zwischendurch mehrmals über das Holznilpferd lachen, und freue mich insgesamt darüber, daß der Weg ohne Streß das Tal enlang führt. Keine aufdringlichen Wegweiser, keine Wanderautobahnen, sondern entspannte Feldwege, die schon irgendwie dahin führen, wo ich hin will.
Trotz aller Entspannung drehe ich den Kopf immer wieder zum Himmel: Der nächste Schauer zieht auf. Und zwar schnell. Zwischen den beiden folgenden Fotos liegt eine Zeitspanne von ca. einer halben Stunde:
Und es passiert natürlich genau das, wonach das rechte Bild aussieht: Wolkenbruch. Die ersten Tropfen fallen, als ich gerade Tannenberg erreiche, die Blicke hastig links und rechts nach Unterschlupf suchend. Offene Garage? Schleppdach der Schreinerei? Nee, das geht besser. und Bingo: Café im Rittergut. In dem Moment, in dem oben jemand richtig den Wasserhahn aufdreht, öffne ich die Cafétür und habe richtig Glück: Keine traurige Dorfbäckerei, sondern was Ordentliches. Törtchen und Torten und Kuchen, soweit das Auge reicht. Und eine Eisbar. Ich fange erstmal mit ein bißchen Erdbeerkuchen und einem Kännchen Tee an, während draußen das Dorf ersäuft. Dann noch einen Himbeerbecher und noch mehr Tee und irgendwann ist das Wetter vorbei und mir schlecht.
Die letzte Stunde ist echt hart, mein Magen wehrt sich gegen all die Köstlichkeiten, die ihm gegönnt habe. Undankbares Ding. Aber oben auf dem Berg geht's wieder, ab jetzt geht's entspannt runter ins Dorf. Mein Gasthof versteckt sich hinter Plattenbauten, und als ich über die Terrasse reinkomme, dreht sich die gesammelte Gesellschaft (irgendwas wird hier gerade gefeiert) stumm und neugierig nach mir um. Ich lache mein Nilpferdlachen, schmettere ein "Tagchen!", lehne säuerlich lächelnd die Einladung zum Grillteller ab und nehme mir lieber einen Kamillentee mit auf's Zimmer. Das wird schon wieder.
Und, nicht vergessen: Nilpferd!
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