Mittwoch, 18. Juli 2012

Die Wälder sind gewaschen, das Waschwasser fließt ab.

Dienstag, 17.07.2012
Hirschsprung nach Berggießhübel
7 h / 28 km

Auch wenn ich's gestern Abend schon gewußt habe: Der Sound des Regens am Morgen ist niederschmetternd. Der Anblick auch. Also trödele ich beim Frühstück und beim Einpacken wieder so lange, bis es einigermaßen aufgehört hat. Oder besser: Bis ich mir einigermaßen erfolgreich eingeredet habe, daß es aufgehört hat. Naja, das Thema wird auch von Wiederholungen nicht besser.

Dafür ist die Luft draußen super. Gleich hinter meinem Hotel kann ich noch ein gescheitertes Gastronomieprojekt bewundern -- schön, daß sich der Verfall nicht auf Tschechien beschränkt, wie man nach dem gestrigen Tag fast hätte glauben können. Gleich 100 Meter weiter beginnt der Wald, die Luft ist kalt und klar, naß ist sowieso noch alles. Überall fließt das Wasser, jede Ritze im Boden ein kleiner Bach, alles bordet über und schießt zu Tal. Der Dauerregen der letzten Nacht ist Schuld. Drüben im nächsten Tal legt der Regen wieder ein paar Schippen nach, ich stelle mich wie ein durchnäßtes Schaf unter den nächsten Baum, warte zehn Minuten, bis das Schlimmste vorbei ist und ziehe wieder weiter. 

Bärenstein wirkt von unten aus wie ein schickes kleines Dörfchen, im Schwarzwald wäre es das wahrscheinlich aus. Im Osterzgebirge ist es ein trostloser Marktplatz, wo es gerade mal zu einer langweiligen Infotafel zur "Alten Poststraße Dresden-Teplitz" gereicht hat. Fleischerei hat schon lange zu, Bäcker gibt es nicht, uff.  Daß die Dorfdisko in der nächsten Seitenstraße jemals goldene Zeiten gesehen hat, wage ich laut und deutlich zu bezweifeln. 

Beim nächsten Anstieg kommt der Regen zurück, geht aber auch gleich wieder. Vom Bergrücken aus sehe ich das ganze Ausmaß des Wettermurkses: Regenwolken hinter mir, Gewitter links und auf der rechten Seite unentschlossene Wolken, die noch nicht so richtig wissen, wohin mit sich. Eine verschlissene Schutzhütte gibt mir wenigstens einen Platz ohne Wind und Regen für ein kleines Mittagessen. Durch den kleinen Ausschnitt der Türe kann ich sehen, wie sich das Wetter draußen im Minutentakt ändert. Das Gewitter zieht ein Stück weiter, die Sonne kommt kurz raus, sogar ein kleines Stück blauer Himmel ist kurz zu sehen. Das ist wie immer das Zeichen: Weiter! Trugschluß allerdings, denn draußen sieht es im Rundumblick immer noch trübe aus.


Trotzdem gehe ich die nächste halbe Stunde in der Sonne. Bevor ich mal wieder die Beine in die Hand nehme, um das trockene Bushäuschen in Liebenau zu erreichen. Der Regen hat natürlich auf mich gewartet. Auf der Wendeplatte vor dem Bushäuschen führen die lokalen Busunternehmer eine kleine Choreographie auf, Bus von links, Vollkreis, Bus von rechts, Vollkreis, Bus von vorne, fährt dazwischen. Macht aber irgendwie Sinn, denn alle Schulkinder können wunderbar umsteigen und zappzarapp sind alle Busse wieder in verschiedene Richtungen verschwunden.

Drüben am Wald tauche ich endlich in das Tal ein, durch das das ich die nächsten Stunden nach Norden wandern werde. Noch schnell unter der Autobahnbrücke durch, vorbei am letzten Stück Grenze mit Tschechien, runter zum Fluß. Bis Bad Gottleuba geht es in einem stillen weltentrückten Tal voran, oben ziehen die Wolken vorbei, scheuchen mich immer mal wieder unter die nächsten Bäume, alles im Rahmen. Während ich da so unter einer großen Buche stehe und das Ende des Schauers abwarte, bin ich doch einigermaßen versöhnt mit dem Tag, von dem ich eigentlich viel schlimmeres Wetter erwartet habe. Eigentlich bin ich sogar relativ trocken geblieben. Eine halbe Stunde weiter sitze ich am Stausee sogar mal wieder auf der Bank in der Sonne und halte Nachmittagsjause. Schön hier. Eigentlich. 

Bad Gottleuba hake ich schnell ab, ich will heute endlich ankommen. Verkehrsberuhigter Markplatz, check. Thermalbad oder sowas, check. Penny-Markt, check. Gibt's auch eine Alternative zu den letzten Kilometern auf der Landstraße? Double-check, der "Poetenweg" rockt. In Berggießhübel ist die Ankunftschoreographie perfekt, im Café Müller gibt es lecker Eis. Wenig Auswahl, aber so schicke Sorten wie Sahne-Holunder oder Himbeer-Joghurt. Während ich mein Eis mümmele, sehe ich als Belohnung für den Tag noch ein Friseur-Schild, so schlimm wie ich es noch nie gesehen habe. Doofe Namen für Friseursalons habe ich ja schon zuhauf gesehen, Hairmony, Hairport oder Haarscharf, ist ja alles Standard. Aber DAS... Ich werfe mir schnell den Rucksack auf den Rücken, laufe rüber zu meinem Parkhotel, das von außen sehr nach geschlossen aussieht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen