Sonntag, 8. Juli 2012

Sonniges, sonniges Sachsen...


Samstag, 07.07.2012
Františkovy Lázně
(CZ) nach Erlbach (D)
7 h / 28 km

Die Nacht hat sich den Weltuntergang leider verkniffen. Ok, ein bißchen Regen, aber das war's dann auch. Und dabei hatte ich mich schon darauf gefreut, kurz vor Sonnenaufgang auf dem Balkon zu stehen und einem Monster-Gewitter zuzuschauen.

Statt dessen schweift mein Blick einige Stunden später über ein relativ trostloses Frühstücksbuffet, bei dem es aber immerhin eine erstaunliche Auswahl an verschiedenen Würstchen gibt. Die ich natürlich alle probiere. Aufstoßen muß ich davon noch am Nachmittag...

Raus in den kühlen Vormittag. Der Himmel ist immer noch dickschwarz und droht mit Regen. Wenn nicht jetzt, dann später. An der nächsten Straßenkreuzung holt mich der Hotelpage ein und schwenkt meine Mütze, die ich an der Rezeption liegen gelassen habe. Wir grinsen uns genauso verschmitzt an wie gestern bei meiner Ankunft, als mich die Rezeptionistin fragte, ob ich Hilfe mit meinem Gepäck bräuchte und dabei auffordernd auf eben diesen Pagen deutete. Daß ich ihr Serviceangebot grinsend abgelehnt habe, versteht sich von selbst.

Ich ziehe nochmal kurz durch die Alt-/Innenstadt mit ihren prachtvollen Bauten. Wenn man genau hinsieht, ist es nur eine einzige Straße und ein bißchen Kurpark, die entsprechend für die Touristen hergerichtet wurden, in den Straßen daneben bröckelt nicht nur der Putz. Mein Favorit ist aber eindeutig das ehemalige Hotel Slovan, der einzige geschlossene und heruntergekommene Laden, der auf der ganzen Kulissenstraße noch den Charme der 80er Jahre hochhält.

Nochmal zwei Straßen weiter beginnt die Trostlosigkeit. Die Straßen leergefegt. Überall Pensionen, die den Kampf gegen die schicken Fassadenhotels schon längst verloren haben. Ein einsamer Bahnhof, der vielleicht mal mondän war. Und ein geschlossener Puff, der zum Verkauf steht. Dahinter die überall gleiche Abfolge aus Einfamilienhäusern, Umgehungsstraße, billigen Neubauten und nur ein paar hundert Meter vom Kurpark entfernt stehe ich wieder auf dem Feld.

Nach dem nächsten Dorf laufe ich für viele Kilometer über riesige Felder, viele Flächen liegen brach und verstärken mit den grauen Himmel den trostlosen Eindruck, den diese Landschaft auf mich macht. Die kleinen Dörfer am Weg machen das Ganze auch nicht idyllischer. Als ich den Waldrand erreiche, setzt der Regen ein. Alles wirkt auf endlose Weise leer und still, wie verlassen. Hinter Stara Rybnik sehe ich an einer Tankstelle den ersten Menschen seit Stunden.

Wenigstens sorgt das nächste Dorf - Lomnička - für Abwechslung. Ein paar alte Frauen auf der Bank, Mann mit Hund, spielende Kinder. Ein knallgelber VW Käfer knattert vorbei, was rein farblich schon ein krasser Kontrast zu diesem trübgrauen Tag ist. Hinter der Schweinefarm wird's abenteuerlich: Ich verlasse den vorbildlichen Wanderweg, um mir irgendeinen Weg durch den Wald über die Grenze zu suchen. Laut Karte geht da nicht viel und ich scheitere schon daran, daß - Frankreich läßt grüßen - die ersten Wege in Richtung Grenze von den Bauern mit Stacheldraht verrammelt wurden. Einen Kilometer weiter geht's, vorbei an vielen geparkten Autos und entsprechend vielen Pilzesammlern, die mich aus dem Wald heraus entgeistert anstarren, ziehe ich den Waldweg entlang zur Grenze. Irgendwo findet sich auch eine Pfadspur durchs Unterholz, durch nasses Gras und verknoteten Industriewald. Irgendwann stoße ich auf den ersten Grenzstein und folge der Einfachheit halber der schmalen Schneise und dem kleinen Pfad, die die Grenze entlang führen. Zwei Kilometer weiter stolpere ich plötzlich wieder auf einen breiten Waldweg auf deutscher Seite, gleich neben einem Waldimbiß, bei dem ich sofort die Besitzerin für ein Spezi und ein Stück Kuchen rausklingele. Ein geiles Hexenhäuschen, am Ende der Welt, mitten im Wald. Ich bin etwas neidisch.

Das Wetter hat sich inzwischen auch wieder gedreht, Sonne und Wind haben die Regenwolken beiseite geschoben und ich muß ich am Waldrand schon wieder hinsetzen und in der Sonne Pause machen. Die Trostlosigkeit des Vormittags ist verflogen und der rauhen Schönheit des Vogtlandes gewichen. Willkommen in Sachsen. 

Die letzten Kilometer sind Spaziergang, mit Aussicht. Das Vogtland hat mir zwar plötzlich wieder massenhaft Hügel und Berge hingelegt, wo vorhin in Tschechien nur sanft gewellte Felder waren. Aber mir soll's recht sein. In meinem leeren Landhotel für heute Abend wartet ein gelangweilter Kellner auf seinen einzigen Gast, es gibt ein derart maues Abendessen, daß ich mir zum Trost den Rest des Abends mit dem Inhalt der Minibar schöntrinken muß. Willkommen in Sachsen. Außen hui, innen pfui...

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