Donnerstag, 03.05.2012
Romans-sur-Isère nach Hauterives
9 h / 35 km
Kaiserwetter. Das billige
Innenstadthotel entläßt uns in einen viel zu sonnigen Tag. Mit
Sonnencremefahne raus aus der Kleinstadt, erstmal ewig durch
Industriegebiete. Von einem hochmotivierten Rentner sacke ich einen
Francois Hollande-Flyer ein, obwohl der Kollege die Gelegenheit zu
einem Plausch nutzen will.
Eine Stunde weiter
besichtigen Monsieur L'Ombrage und ich das chloß, in dem wir
gestern Abend NICHT übernachtet haben. Eigentlich sind es eher eine
Ansammlung von Gesindehäusern und Nebengebäuden, die
Erwartungshaltung "Schloß" wird nicht erfüllt. Dahinter
die erste spannende Bachüberquerung mit wunderbar vorgefertigen
Trittstufen aus Holz. Mit Anti-Rutsch-Noppen. Da hat sich aber mal
jemand richtig Mühe gegeben.
Hinter dem Haselnußwald
gibt es nicht nur Aussicht, sondern auch - wie gerufen - einen
querliegenden Baumstamm am Wegesrand, der uns wider Erwarten auch
trägt. Schatten, Aussicht, ordentliche Sitzhöhe -- da muß ich auch
nicht lange zur Pause überredet werden. Wir gönnen uns die gute
salzige Salami aus dem Spar, Baguette und Orangina.
Zwei Stunden später
schenken wir uns unbegreiflicherweise die nähere Begutachtung des
leerstehenden Châteaus, das da die letzte Stunde immer schon so
schön am Hang aus den Bäumen herausschaute. Das Tor war offen und
eine der Eingangstüren fehlte irgendwie auch schon. Der Rest des
Tages vergeht mit weiteren Immobilien-Kurzbeurteilungen, Aussicht auf
schneebedeckte Berge und Pausen.
Als wir am Ende des
Kammweges wieder auf die Straße treffen, verlangt Monsieur L'Ombrage
von mir endlich mal eine genaue Aussage über die heute bisher
absolvierten und der noch zu wuppenden Kilometer. Mist, denke ich mir
leise, ich habe eigentlich keine Ahnung... Mein Bauchgefühl hatte
sowas wie 28 Kilometer für heute gepeilt, aber irgendwie liege ich
da wohl etwas daneben. Und Zuhilfenahme von hochtechnisiertem Gerät
muß ich mehrmals aus vier verschiedenen Wanderkarten Kilometer
ausmessen und mich auch noch der Kontrollmessung von Monsieur
L'Ombrage stellen. Der Tiefpunkt kommt kurze Zeit später, als uns
das Straßenschild noch 10 Kilometer bis Hauterives ankündigt. Ob
ich Monsieur zu diesem Zeitpunkt schon gesteckt hatte, daß unsere
Unterkunft erst noch hinter dem Ort kommt, weiß ich nicht mehr
genau.
Die Wasserflaschen sind
bei diesem Wetter mal wieder viel zu schnell leer, das Tagesmotto
lautet ab sofort: "Wir brauchen mehr Wasser!" Gott sei Dank
kann ich noch zwei Dosen Belohnungscola aus dem Rucksack zaubern, als
wir beim letzten Anstieg vor Hauterives ein mittleres Motivationstief
durchmachen. In Hauterives erwischen wir mit trockenen Kehlen die
letzte Einkaufsminute bei bereits geschlossenen Rolltoren des
örtlichen Dorfsupermarktes, rasen durch die Regalreihen und raffen
Getränke, Dosenbier, Käse usw. zusammen, bevor wir am Ende doch
entspannt schwatzend mit den Kassiererinnen ihren Feierabend
einläuten.
Die letzte halbe Stunde
geht es zur allgemeinen Verzweiflung nochmal bergauf, oben in den
Hügeln über Hauterives versteckt sich ein einsames weißes Haus mit
blaßblauen Fensterläden, wo zwei Zimmer und zwei Abendessen auf uns
warten. Auf der Bank davor schauen wir uns nach dem Essen im letzten
Dämmerlicht noch ein bißchen die drei Fledermäuse an, die ihren
Runden drehen, quälen uns das Dosenbier rein, für das wir vorhin
kleine Kätzchen getötet hätten, das jetzt aber nur noch lustlos
weg muß, damit wir es morgen nicht wieder schleppen müssen...
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