Évian-les-Bains nach Espalinges (CH)
vielleicht 2h? / vielleicht 8 km?
Die ganze Nacht Regen. Das war super, weil ich mich unter der dicken Bettdecke vor der kalten Luft verstecken konnte. Daß es am Morgen auch noch regnet, ist weniger super und kürzt meinen Spaziergang durch Évian empfindlich ein. Dann doch lieber ein Boot früher nach Lausanne... Ich ziehe nochmal schnell zwei Kreise durch den Ort, finde immer noch keine Wanderkarten (erfahre aber, daß es einen Ort weiter in Thonon sogar einen speziellen Kartenladen gibt), umgehe die Ziegenkäsefahne des Wochenmarktes und setze mich lieber mit was Gutem vom Bäcker an den Hafen und gucke auf den trüben See.
Auf dem nix zu sehen ist.
Auf der Überfahrt bin ich zu faul, ein Foto von Évian zu machen, obwohl es wirklich schick aussieht. Auch für ein schönes Panoramabild von Lausanne bin ich zu faul. Eigentlich sind mir bei dem sonoren Brummen der Motoren sofort nach dem Ablegen die Augen zugefallen...
In Lausanne scheint die Sonne. Und hier weht sofort ein anderer Wind. Die Häuser mindestens drei Nummern schicker als in Frankreich. Überall Menschen in Anzügen und Businesskostümchen. Die Porsche- / Audi- / Mercedes-Dichte auf den Straßen steigt sprunghaft um mehrere hundert Prozent. Bloß gut, daß ich das "gute" Hemd angezogen habe.
Ich zuckele mit der Telefonnavigation in der Hand die Straßen bergauf, suche und finde im Zentrum die größte Buchhandlung der Stadt (die meine gesuchten Frankreichkarten auch nicht haben), falle im Supermarkt rückwärts in die Kühltruhe, weil das Baguette hier 2,20 CHF statt wie in Frankreich 0,80 - 1,00 EUR kostet, und mache wie ein deutscher Tourist Fotos von einem Stadtbus. Daß hier E-Busse fahren, finde ich ja schon skurril, aber einen E-Bus mit Anhänger habe ich noch nie gesehen. Schade, daß ich kein Bus-Spotter bin, sonst hätte ich jetzt sicher ein feuchtes Höschen bekommen.
Mme Doge sitzt gerade mit zwei Freundinnen beim Kaffee, als ich reinschneie, um mein Paket mit den Schweizkarten abzuholen. Wir plaudern noch ein bißchen und zwei Stunden später mache ich mich wieder auf den Weg. Auf Mme Doges Hinweis hin nehme ich die abenteuerliche Abkürzung durch die Hecke und stehe gleich hinter dem Haus auf dem Feld und bin wieder im Wald. Soviel also zu Lausanne.
Schon in der ersten halben Stunde erweisen sich die gekauften Schweiz-Wanderkarten als Mist und Müll. Markierte Wanderwege sind zwar eingezeichnet, die wichtigsten Details aber fehlen. Prompt verfranse ich mich zweimal auf nur vier Kilometern und füge mich am Ende dem Schicksal, indem ich einfach nach Bauchgefühl und Richtung laufe.
Mein Privatzimmer für heute Nacht ist hübsch, aber unter dem Dach und daher bullenheiß. Ich habe Mühe, die Katze des Hauses wieder hinaus zu komplementieren, nachdem sie es sich erstmal in der Duschtasse bequem gemacht hat. Also nochmal auf zur Pizzeria drüben im Ort. Sie stellt sich als das Hotel Union heraus, wo man für flockige 140 CHF ein Einzelzimmer hätte buchen können. Das Hotelrestaurant ist ein schrill-lauter Pub mit 23 Spiel-/Lotto-/Flipperautomaten, Dorfjugend jeglicher Art und einer Musikuntermalung wie im Teenie-Jeansshop in Weiden (Oberpfalz). Die Pizza schmeckt und ich bin froh, daß ich hier nicht wohnen muß.
Als ich zu meinem Zimmer zurücklaufe, geht die Sonne gerade dramatisch unter. Das frisch geschnittene Gras am Hang duftet vor sich hin, die Luft ist kalt und es ist selbst für eine Vorstadtsiedlung sehr still.
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