Mittwoch, 15.05.2012
La-Roche-sur-Foron nach
Lucinges
8 h / 28 km
Gestern Nacht Sturm - und
die Drohung des Wetterberichts, daß es bis 800m runter schneien
soll. Entsprechend sorgenvoll tapse ich also am frühen Morgen zum
Fenster, um einen Blick auf das Hinterhofpanorama zu werfen. Wenn
man sich ein bißchen aus dem Fenster lehnt, kann man auch die Berge
sehen -- und es hat tatsächlich geschneit letzte Nacht. Nicht so
wild wie in meinen schlimmen Gedanken, allerdings schätze ich, daß die Schneegrenze jetzt bei ca.
1.200m liegt. Schön, daß ich in den nächsten Tagen so bei 1.500m
rumkraxeln werde...
Um den Tag etwas zu
würzen, habe ich mir einen großen Schlenker nach Osten ausgedacht.
Auf der Karte habe ich einen kleinen verschlängelten Wanderweg
entlang des Flusses gefunden. Aber ach - wenn man mal wieder nur halb
hinguckt. Der verschlängelte Wanderweg entpuppt sich als
dödelig aufgedonnerter Erlebnisweg zwischen allen erdenklichen
Unannehmlichkeiten hindurch. Vorbei an der Mülldeponie. An den
Abwasserklärteichen. An der Kläranlage. Am Tanklager. An
Schotterwerk Nr. 1. An Schotterwerk Nr. 2. Und dazu ausdauernd der
Sound der parallel laufenden Autobahn. Flußromantik sieht anders
aus. Das haben auch die örtlichen Gemeinden gerafft und haben den
Weg - mit einem ordentlichen Maß an ökologisch-pädagogischer
Chupze - zum interkommunalen Erlebnisweg hochgestuft. Mit Infotafeln
und so.
Ich treffe trotzdem nur 3
radfahrende Radfahrer und 4 im Schotterwerk Nr. 2 herumkraxelnde
Jugendliche. Der Fluß zieht lautlos in blaugrau an mir vorbei und
ist alles andere als lieblich. Einzig die Sumpflandschaft, durch die
der Weg sich am Ufer schlängelt, hat ab und zu ihre Reize.
Insofern bin ich froh,
als ich nach der letzten Autobahnunterquerung endlich dieses Tal
verlasse und Richtung offenes Land stapfe. In Loex halte ich auf
den Friedhof zu, und weil die Straße dahin zynischerweise "Allee
der Ruhe" heißt, setze ich mich erstmal neben dem Friedhof ins
Gras und lese ein bißchen. Über dem Feld flimmert die heiße Luft
in der Sonne und hier im Schatten ist es kalt wie im Winter.
In Bonne betrachte ich
voller Häme den kilometerlangen Stau auf der Landstraße, wo aus
Richtung Genf kommend alles nur rumsteht. Im Supermarkt kaufe ich mal
wieder viel zu viel ein (den altklugen Gedanken "Du wirst dich oben
in den Bergen in den nächsten Tagen darüber freuen, wenn du noch
was im Rucksack hast." verfluche ich gleich darauf wieder) und
mache mich an den Aufsteig zu meiner Unterkunft. Bonne liegt auf
500m, morgen geht es auf ca. 1.400m, also fand ich es klug, nicht
unten im Ort zu übernachten, sondern in einer Art Hotel auf halber
Höhe des Berges. Wenn ich heute Abend also noch ein paar Höhenmeter
wegarbeite, wird der Tag morgen entspannter. Kluger Kopf, allerdings
hatte ich den jetzt deutlich schwereren Rucksack nicht bedacht. Der
ächzt und quietscht bei jedem Schritt auf meinem Rücken. Diesmal
ächze und quietsche ich auch beim Aufstieg, aber die schöne
Aussicht auf die tiefstehende Sonne, in die Ferne und auf den nicht
nur kilometer- sondern wohl auch stundenlangen Stau auf der
Landstraße helfen doch irgendwie.
Ich freu mich auf morgen.
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