Donnerstag, 17. Mai 2012

Unidyllische Flußwanderung.


Mittwoch, 15.05.2012
La-Roche-sur-Foron nach Lucinges
8 h / 28 km

Gestern Nacht Sturm - und die Drohung des Wetterberichts, daß es bis 800m runter schneien soll. Entsprechend sorgenvoll tapse ich also am frühen Morgen zum Fenster, um einen Blick auf das Hinterhofpanorama zu werfen. Wenn man sich ein bißchen aus dem Fenster lehnt, kann man auch die Berge sehen -- und es hat tatsächlich geschneit letzte Nacht. Nicht so wild wie in meinen schlimmen Gedanken, allerdings schätze ich, daß die Schneegrenze jetzt bei ca. 1.200m liegt. Schön, daß ich in den nächsten Tagen so bei 1.500m rumkraxeln werde...

Um den Tag etwas zu würzen, habe ich mir einen großen Schlenker nach Osten ausgedacht. Auf der Karte habe ich einen kleinen verschlängelten Wanderweg entlang des Flusses gefunden. Aber ach - wenn man mal wieder nur halb hinguckt. Der verschlängelte Wanderweg entpuppt sich als dödelig aufgedonnerter Erlebnisweg zwischen allen erdenklichen Unannehmlichkeiten hindurch. Vorbei an der Mülldeponie. An den Abwasserklärteichen. An der Kläranlage. Am Tanklager. An Schotterwerk Nr. 1. An Schotterwerk Nr. 2. Und dazu ausdauernd der Sound der parallel laufenden Autobahn. Flußromantik sieht anders aus. Das haben auch die örtlichen Gemeinden gerafft und haben den Weg - mit einem ordentlichen Maß an ökologisch-pädagogischer Chupze - zum interkommunalen Erlebnisweg hochgestuft. Mit Infotafeln und so.

Ich treffe trotzdem nur 3 radfahrende Radfahrer und 4 im Schotterwerk Nr. 2 herumkraxelnde Jugendliche. Der Fluß zieht lautlos in blaugrau an mir vorbei und ist alles andere als lieblich. Einzig die Sumpflandschaft, durch die der Weg sich am Ufer schlängelt, hat ab und zu ihre Reize.

Insofern bin ich froh, als ich nach der letzten Autobahnunterquerung endlich dieses Tal verlasse und Richtung offenes Land stapfe. In Loex halte ich auf den Friedhof zu, und weil die Straße dahin zynischerweise "Allee der Ruhe" heißt, setze ich mich erstmal neben dem Friedhof ins Gras und lese ein bißchen. Über dem Feld flimmert die heiße Luft in der Sonne und hier im Schatten ist es kalt wie im Winter.

In Bonne betrachte ich voller Häme den kilometerlangen Stau auf der Landstraße, wo aus Richtung Genf kommend alles nur rumsteht. Im Supermarkt kaufe ich mal wieder viel zu viel ein (den altklugen Gedanken "Du wirst dich oben in den Bergen in den nächsten Tagen darüber freuen, wenn du noch was im Rucksack hast." verfluche ich gleich darauf wieder) und mache mich an den Aufsteig zu meiner Unterkunft. Bonne liegt auf 500m, morgen geht es auf ca. 1.400m, also fand ich es klug, nicht unten im Ort zu übernachten, sondern in einer Art Hotel auf halber Höhe des Berges. Wenn ich heute Abend also noch ein paar Höhenmeter wegarbeite, wird der Tag morgen entspannter. Kluger Kopf, allerdings hatte ich den jetzt deutlich schwereren Rucksack nicht bedacht. Der ächzt und quietscht bei jedem Schritt auf meinem Rücken. Diesmal ächze und quietsche ich auch beim Aufstieg, aber die schöne Aussicht auf die tiefstehende Sonne, in die Ferne und auf den nicht nur kilometer- sondern wohl auch stundenlangen Stau auf der Landstraße helfen doch irgendwie.

Ich freu mich auf morgen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen