Dienstag, 1. Mai 2012

Sechs Stunden Regen gibt Suppe in den Stiefeln.

Montag, 30.04.2012
Loriol-sur-Drôme nach Chabeuil
8 h / 31 km

Wie waren nochmal meine Gedanken beim Loslaufen heute früh? "Perfektes Wanderwetter. Bedeckt, schön kühl." So waren sie.

Mit dem Picknick aus dem Supermarkt gleich hinter dem Hotel nehme ich die Schnellstraßenbrücke über die Drôme, in der Hoffnung, drüben am Flußufer einen schönen Plaz zum Frühstücken zu finden. Gleich neben dem Verkehrslärm geht ein kleiner Wanderweg runter zum Fluß und - zack - bin ich in der grünen Einsamkeit der Flußauen versunken. Neben mir rauscht die Drôme mit leichtem Hochwasser und einem sehr unleckeren weiß-gelben Farbton, als hätte jemand flußaufwärts tonnenweise Schwefel in den Fluß gekippt.

Links und rechts alles üppig grün, feucht und verwildert. Während ich auf einem schmalen Pfad durch das Unterholz ziehe, fängt es leise an zu regnen. Aber so richtig zufrieden bin ich mit den Sitzgelegenheiten am Wegesrand oder der gebotenen Aussicht nicht. Also weiter. Das frische Baguette im Rucksack wird schon noch ein bißchen brauchen, bis es naß wird. -- Eine halbe Stunde später regnet es zwar, aber ich finde einen schönen Platz neben einer kleinen Brücke, unter der ein starker Bach in die Drôme mündet. Daneben ein großer Felsblock mit perfekter Sitzhöhe. Da ist mir dann auch noch der Regen egal. Ich frühstücke zufrieden mein Frühstück, lasse mich von zwei geräuschlosen Joggern einen tierischen Schreck einjagen und schwenke drei Kilometer weiter wieder nach Norden, denn diese Etappe am Flußufer war zwar schön, aber für diesen Tag eigentlich die falsche Richtung...

Der Rest des Tages ist Asphalt, meistens kleine Straßen mit wenig Verkehr. Beim nächsten Regenschauer lege ich mir meine Jacke und meinem Rucksack die Regenhülle an und lasse mit dem Gedanken "Naja, da hinten kommt ja schon die nächste Husche..." die Montur auch gleich an. Daß die nächste Husche dann so an die sechs Stunden dauern sollte, stand allerdings nicht im Handbuch.

Erst stehe ich eine halbe Stunde an einer trockenen Stelle unter ein paar Eichen herum und vertreibe mir die Zeit mit dem Kanalbau für von der Straße vorbeifließendes Wasser. Aber irgendwann wird es mir a) langweilig und b) klar, daß es nicht sofort wieder aufhören wird. Ein paar Kilometer weiter sitze ich ein bißchen auf der Mauer eines Denkmals unter einer Kastanie rum, wo es auch noch recht trocken ist. Aber irgendwann erkenne ich auch c) daß vom Rumsitzen noch niemand angekommen ist. Also weiter. Als nächstes kommt ein Bushäuschen in Montoison, wo ich noch ein bißchen länger rumsitze, weil der Anblick des auf der Straße vorbeifließenden Wassers und die Lautstärke des auf das Plastikdach prasselnden Regens einfach zu frustrierend ist. Irgendwann haben die Pfützen auf dem Betonboden auch die letzte trockene Stelle verschlungen, ich werte das als Zeichen zum Aufbruch.

Das dürfte so ungefähr der Moment gewesen sein, ab dem alles egal war. Dann werde ich halt naß. Das wird schon wieder trocken. Mit dem Regen reden hilft auch nicht. Sich unterstellen ist auch Murks, da wird dir nur kalt. Weiter, weiter. Wenigstens ist mir durch die Bewegung einigermaßen warm und irgendwann kommt eher Galgenhumor durch. Toller Urlaub.

Neben mir sammelt sich langsam das Wasser auf den Feldern und bildet Seen, wo eigentlich keine sein sollten. Die Pfützen auf der Straße erstrecken sich jetzt gerne über die gesamte Straßenbreite, wenn das Wasser nicht sowieso als kleiner Fluß auf der Straße abfließt. Ich brülle Autofahrern hinterher, die mit Vollgas an mir vorbeibrettern und mich naßspritzen. Nicht, daß das einen Unterschied gemacht hätte, aber so hatte man wenigstens einen Schuldigen. 

Zwei Stunden vor meinem Etappenziel packt mich aber doch kurz die Verzweiflung. Will ich wirklich weiter in diesem Scheißwetter laufen? Es hört und hört nicht auf und immer wieder habe ich den Eindruck, daß er nochmal einen Zahn zulegt. Nie weniger, immer nur mehr. Als ich kurz nach Montmeyran von der Landstraße abbiege, um nicht mehr soviel Autos zu begegnen, laufe ich nach fünf Minuten doch wieder zurück. Vielleicht kannst du ja an der Landstraße als Anhalter dein Glück versuchen. Noch bevor ich wieder an der Kreuzung ankomme, fällt mir ein, daß mich in meinem Zustand sowieso niemand mitnimmt und ich wahrscheinlich den Frust der erfolglosen Trampversuche heute nicht aushalten könnte. Also drehe ich wieder um und laufe den Rest. Wird schon irgendwie gehen.

Der Spaß geht endgültig verloren, als ich merke, wie sich die Stiefel inzwischen so weit mit Wasser gefüllt haben, daß bei jedem Schritt die Suppe in den Stiefel ein quietschendes Geräusch macht. Goretex und Co. nützen ja nix, wenn das Wasser an den Beinen runter von oben in die Stiefel läuft... Als ich kurz darauf auch noch die schmerzende Stelle in der Kniekehle inspiziere und feststellen darf, daß mich die klatschnassen Shorts blutig gescheuert haben, reicht es mir dann doch. 

Scheuklappen hoch und weiter. Das einzige Highlight bleibt der optische Eindruck eines TGV, der eine imposante Gischfahne hinter sich herzieht, als er unter meiner Brücke durchfährt. Und natürlich die Tatsache, daß es genau zwanzig Minuten vor meiner Ankunft -- aufhört zu regnen...

Als ich bei der nur mittelgut gelauten Zimmervermieterin ankomme, merke ich erstmal, WIE naß ich eigentlich bin. Beim Aussteigen aus den Stiefeln kann ich deutlich ein gedehnt schmatzendes Geräusch hören. Nachdem ich erfolgreich alle Klamotten über dem Waschbecken ausgewrungen habe (und auch aus allen ordentlich was rauskam), breite ich alles so gut wie möglich zum Trocknen aus und freue mich darauf, daß ich morgen Pausentag habe. Ob die Stiefel allerdings trocken werden, wagt mein Bauchgefühl zu bezweifeln.

Scheißtag. Aber ich bin rückwirkend erstaunt, mit welcher Gelassenheit ich den Regen ertragen habe. Ich hab mich da auch schon unflexibler erlebt...

1 Kommentar:

  1. Mannomann,ich denke an Dich, aber das hat Dir ja auch nicht geholfen... Erinnert mich an eine Wanderung in Schottland, aber da war der Zimmervermieter darauf eingestellt, Stiefel zu trocknen usw. und empfing uns mit einem Whiskey! Ich wünsche Dir, dass diese Regenzeit bald aufhört!

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