Samstag, 12. Mai 2012

Ohne ausdauerndes Herumliegen nicht zu schaffen.


Freitag, 11.05.2012
Vions nach Motz
7,5 h (incl. diverser Nickerchen) / 21 km

Bäh. Schon der Morgen klebt. Ich bin noch nicht mal aus Vions raus, da wird es mir schon zuviel in der Sonne. An der Rhône geht wenigstens ein bißchen Wind und der Fluß gibt mit seinem blaugrün noch ein bißchen optische Kühle dazu. Es geht durch sehr feuchte Flußauen (in denen es sogar regnet, was allerdings nur irgendwelches Kondenswasser sein kann -- es ist keine Wolke am Himmel zu sehen und die Nacht blieb trocken...) erstmal bis zur Brücke nach Culoz, ich will einkaufen. Eine Stunde Umweg für den Supermarkt ist mir die Aussicht auf süße Getränke, frisches Baguette und irgendwas Gemüsiges absolut wert.

Gegen Mittag stehe ich mit einem deutlich schwereren Rucksack wieder an der Brücke und ziehe weiter nach Norden. Next stop: Mittagspause. Ich suche mir einen schönen Platz am Fluß, und der Weg bis dahin ist beschwerlich. Die Rhône führt viel Wasser und mir steht wenig Sinn danach, mich an irgendeiner steilen Uferböschung gerade so auf einem schmalen Stein zu balancieren. Nein, der Herr wünscht bequemes Fläzen auf kommodem Untergrund. Erst eine Stunde später werde ich fündig, dafür aber richtig. Eine breite Kiesbank am Flußufer, genug Schatten von den Bäumen und - Wind. Als ich den Rucksack absetze, bemerke ich panisch einen nassen Fleck an der Außentasche mit den Getränken und befürchte schon, daß mein kostbarer Orangensaft ausgelaufen ist. Es ist aber nur das gesammelte Kondenswasser, das außen an der Flasche mit eiskaltem Saft heruntergelaufen ist. Mein Gott, kann Orangensaft gut schmecken...

Ich sitze ewig am Flußufer rum, lese noch ein bißchen, döse noch was hinterher, um das ausgiebige Mittagessen zu verdauen. Erst als die Sonne soweit gewandert ist, daß die Bäume gleich keinen Schatten mehr hergeben, zuckele ich weiter. Und die Sonne brennt.

Jeder Kilometer so erfrischend wie ein Schluck warmes Leitungswasser. Jeder Atemzug wie ein kurzer Besuch in der Sauna. Jedes noch so kleine Stück bergauf wie ein freundlicher Gruß aus der Hölle. Jeder Meter auf einem staubigen Feldweg ohne Schatten wie ein Ausflug in die Wüste. Den Plan, nur kurz die schmale Rhône-Ebene zu durchqueren und mich dann oben auf der nächsten Bergkette nach Motz durchzuschlagen, gebe ich schnell auf. Heute gilt nur der Weg des geringsten Widerstandes.

Und der führt nur sehr wenig später wieder unter den nächsten Baum. Eigentlich ist der Tag sowieso nur durch ausdauerndes Herumliegen unter schattenspendenden Gegenständen auszuhalten. Ich lasse alle Pilger und Radfahrer an mir vorbeiziehen und mache erstmal ein Nickerchen, soweit mich die neugierigen Ameisen lassen.

Aber vom Rumsitzen ist immer noch niemand angekommen. Die letzten Kilometer sind dann auch nur Transitland. Weiter, weiter, raus aus dieser Hitze und den Tag irgendwie hinter sich bringen. Da passt es gut, daß die Kommunalverwaltung von Mathy es aufgegeben hat, sich zu kümmern. Das Einzige, was sich hier anscheinend noch ereignet, ist der unaufhörliche Durchzug von Pilgerströmen.

Auch bei den letzten 150 Metern Aufstieg stelle ich mich an wie ein kleines Mädchen. Es gibt zwar nette Aussicht auf das Tal, wieder geht der Blick auf viele Kilometer in Richtung Süden und ich erkenne die Bergketten der letzten Tage wieder, aber es geht bergauf und ich hab für heute schon mehr als genug.

Die letzte Halluzination des Tages ist das Bierwerbeschild an einem Haus kurz vor meinem Zieldorf Motz. Schon von Weitem löst dieses Schild in mir fränkisch-heimatliche Reflexe aus und ich denke flüssigkeitslechzend an Ausflugsgaststätten, Waldschänken und Sonntagslokale. Egal was, Hauptsache Ausschank. Hier leider nicht. Zum Trost kühlt mich der Wind, von dem unten im Tal nix zu spüren war, für die restliche Viertelstunde bis zur Auberge du Motz einigermaßen runter. Am Tresen ziehe ich mir trotzdem erstmal ein sehr kaltes Bier, was die Hitzehölle des Tages sofort relativiert. Meine Temperaturrecherche ergibt 32° am frühen Nachmittag. Zauberhaftes Wanderwetter.

Ich beschließe, morgen hier auch noch rumzubummeln. Ein Pausentag ist wirklich mal wieder überfällig. In diesem Dorf ist zwar der Hund begraben, aber der Laden ist günstig, das Essen ok und vor allem die Leute freundlich. Was will man mehr...

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