Dienstag, 12. Juni 2012

Zum X-ten Mal: Über ein paar Hügel, durch ein paar Täler.

Montag, 11.06.2012
Kirnbach nach Alpirsbach
7 h / 27 km

Wieder dieser lauschende Moment am Morgen. Rauscht da draußen der Bach (kann nicht sein, der ist auf der anderen Seite des Hauses) oder doch -- Mist -- der Regen.  Aber wie sich's gehört: Nach dem Frühstück hat es wieder aufgehört.

Raus in einen kalten Morgen, aus den Wäldern an den Talhängen steigen Dunst und Wolken wieder auf. Alles ist naß bis zur Sättigung, jeder Halm in der Wiese hängt schwer nach unten, und im Wald tropft es aus den Bäumen, als würde es immer noch regnen. Als ich oben auf dem Horbensattel ankomme, bin ich auch angemessen naß. Der Nebel und die Wolken ziehen vom Tal herauf und bringen den nächsten Regen mit. Auf der Wiese am Waldrand kommt gerade ein Reh seelenruhig zwischen den Bäumen hervor, um zu äsen. Ich bleibe stehen, das Reh guckt -- und frißt in aller Seelenruhe weiter. Das hab ich auch noch nicht erlebt, normalerweise fliehen die Viecher doch sofort. Erst als ich versuche, so geeee-rrr-ääää-uuuu-schlos wie möglich den Fotoapparat rauszuholen, erinnert sich Capreolus Capreolus an seine Instinkte und ich kann immerhin noch einen Reh-Arsch fotografieren. Wem's gefällt...

Unten im Kinzigtal ist die Welt schon wieder auf den Kopf gestellt. Hellster Sonnenschein, kaum eine Wolke an dem kleinen Ausschnitt von Himmel zu sehen, den die steilen Talwände freigeben. Schön anzusehen, aber der Soundtrack: Bundesstraße, Bahnlinie, 40-Tonner, Motorräder. Jedes Fitzelchen Idylle wird schnellstens von dem Krach nebenan zunichte gemacht. Anscheinend muß man im Schwarzwald oben auf den Hügeln  oder im Wald wohnen, um es ein bißchen nett zu haben. 

Zur Mittagspause findet sich eine strategisch perfekte Bank inklusive Blätterdach. Jogger von links nach rechts: "Gude Morge!". Mittagessen mit Karotten, Schokolade und Leitungswasser. Und ein paar Minuten auf der Bank dösen. Rechts hupt es: Der Jogger kommt auf der engen Straße zurück und merkt dank Mucke im Ohr nicht, daß hinter ihm ein Auto vorbeiwill. Kein Grund, das Nickerchen nicht fortzusetzen...

Vom Blick auf die Wanderkarte her hatte ich den nächsten Ort eigentlich für eine genauso langweilige Ansammlung von Häusern, Gasthöfen und Gewerbegebieten gehalten wie die ganzen Käffer der letzten Kilometer, aber Schiltach hat richtig Fachwerk zu bieten. Am Marktplatz rundum Historie, uralte Häuser und gegenüber: Mein Laden. Fußpflege "Per Pedes". Leider heute erst am 1700 Uhr wieder geöffnet, da werde ich schon ein ganzes Stück weiter sein. Dennoch träume ich jetzt für den Rest des Tages von Fußmassagen, Fußbädern und ähnlichen Stöhnsituationen eines Langstreckenwanderers.


Die letzten zwei Stunden bis Alpirsbach sind Schlenderzeit. Mal sitzen, mal laufen. Anscheinend lege ich den richtigen Rhythmus an den Tag, denn eigentlich sieht der Himmel inzwischen wieder nach Weltuntergang aus. Aber es regnet entweder nur hinter mir oder vor mir.

Noch ein oder zwei Tage und ich lasse den Schwarzwald hinter mir. Ist mir irgendwie auch ganz rechts, ich merke sehr deutlich, daß ich wieder mehr Strecke machen will. Das geht im Flachland viel einfacher.

Strecke machen -- wie sich das schon wieder anhört. Aber der Gedanke an Zuhause, an ein Ankommen irgendwann, ist zu einem starken Magnet geworden. Ich will weiter, ich freue mich auf Franken und auf alles, was noch hinter dem Horizont kommen mag. Bis es irgendwann vorbei ist und das Nächste kommt. Was auch immer das sein mag.


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