Sonntag, 17.06.2012
Lauffen a.N. nach Stein a.K.
7 h / 28 km
Der Gang zum Frühstück: Ein Abstieg hinunter ins Gewölbe. Der Raum wirkt wie ausgestorben, einige abgegessene Teller zeigen aber an, daß hier schon jemand gefrühstückt hat. Da steht noch ein einzelnes frisches Gedeck, was dann wohl für mich sein soll. Kein Mensch zu sehen. Auch nach einem vorsichtigen "Hallo?" kommt keiner. Also räume ich in Seelenruhe das Frühstücksbuffet ab und fluche leise vor mich hin, als aus beiden Thermospumpkannen nur Kaffee statt heißes Wasser für den Tee kommt. Ich seh aber auch keinen Wasserkocher... Zwei Leberwurstbrötchen später ist immer noch niemand aufgetaucht, also trinke ich zur Strafe sämtlichen Orangensaft aus, esse das komplette Quittengelee leer und mache mich auf den Weg, um meinen Rucksack zu packen. Später treffe ich die alte Dame von gestern in ihrem 118er-Büro, sie hatte gar nicht bemerkt, daß ich beim Frühstück war... Die Sache ist ihr peinlich, das Frühstück ist umsonst, das Zimmer kostet plötzlich auch nur noch 32 EUR statt wie am Telefon angedroht 52 EUR, also bin ich beruhigt und ziehe hinaus in die Kälte.
Häh, Kälte? In der Nacht hat es geregnet, gegossen, und zwar ordentlich. Es sind vielleicht 15 Grad, als durch die sonntagmorgenleeren Straßen von Lauffen ziehe. Ich treffe nur zwei Damen, die ihr Auto mit Krempel vollgepackt haben und offensichtlich zum Flohmarkt wollen, sonst ist noch niemand unterwegs.
Kurz vor Talheim fängt es auf dem Feld an zu regnen, für eine knappe Stunde prasselt es nochmal ordentlich runter. Genau genug, um mich und meine Motivation ein bißchen anzuweichen. Ich überlege, ob ich mich in der St. Trop-Lounge ("Coole Getränke, super Musik, super Gaeste") unterstellen soll, entscheide mich aber doch lieber für den Regen. Auf der Landstraße weiche ich heute aus Prinzip keinen Zentimeter auf das nasse Gras auf dem Seitenstreifen aus, ich halte Kurs. Sollen doch die doofen Autos anhalten, die Fahrer haben's wenigstens trocken.
Als ich eine Stunde später eine zauberhaft trockene Bank unter einem kleinen Gebüsch finde, hört es prompt auf zu regnen und die Sonne kommt raus. Auch nicht schlimm, also sitze ich auf einer Bank, neben mir dampfen die Felder und Wege, ich frühstücke noch ein Snickers hinterher und meine schlechte Laune ist verflogen.
Hinter Dornbronn beginnt der Heilbronner Stadtwald, auf der Karte fordert ein furchtbar kompliziertes Gewirr von ziemlich unzusammenhängenden Wegen volle Konzentration. Sieht alles irgendwie nach Murks aus, die beste Variante wäre vielleicht doch die kleine Landstraße mittendurch, aber bei dem Gedanken, bei diesem Sonntags-Ausflugsverkehr eine kurvige Landstraße durch ein hügeliges Waldstück zu nehmen, rebelliert mein Sicherheitsinstinkt. Aber siehe da, direkt am Ortsende winkt freundlich ein Schild herüber: Fahrverbot für Autos und Motorräder an Sonn- und Feiertagen. Heute ist: Sonntag! Geil! Ich habe die ganze Straße für mich, links und rechts liegt stiller Wald, dem man noch anmerkt, daß er mal Panzer und Soldaten ertragen musste. Nur zwei Autos kommen mir auf den nächsten Kilometern entgegen und beide müssen einen großen umständlichen Schlenker um mich herum fahren, denn als deutscher Extremspaziergänger auf einer gesperrten Straße spiele ich heute Prinzipienreiter und laufe richtig schön in der Mitte. Heute gehört sie mir! Mir allein!
Der nächste Ort Weinsberg ist genauso häßlich wie sein Autobahnkreuz, einzig die schöne ungepflegte Allee mit den Kirschbäumen runter ins Tal hat einen gewissen Reiz. Hinter Weinsberg unterquere ich nacheinander Kreisstraße, Autobahnumgehungsstraße, Autobahnzubringer, Autobahn und Autobahnkreuzschleife und auf der anderen Seite stehe ich plötzlich auf einer glühend heißen Wiese, merke erst jetzt, wie warm es inzwischen geworden ist und entledige mich schnellstens der langen Klamotten. Durch Weinberge und Erdbeerplantagen, vorbei an Getreidefeldern und Dörfern, in denen gerade der Grill angeworfen wird. Über allem liegt die warme Luft, besteht auf den Sommer und brennt gnadenlos auf mich ein, während ich Hügel um Hügel übersteige und irgendwann auf der Straße gehe, weil ich keine Lust mehr auf Umwege habe. Meine Wasserflaschen sind auch schon seit zwei Stunden leer.
Ich telefoniere kurz mit meinem Vater, der mir mit Hund ein Stück entgegen laufen will. "Wir sehen uns dann schon auf dem Feld." Wie praktisch, denn meine Wanderkarte endet schon im Dorf vorher. Auf der Brücke über den Kocher erinnere ich mich plötzlich dran, daß ich hier schonmal mit dem Auto rübergefahren bin, biege nach links ab und treffe eine halbe Stunde später meinen alten Herrn mit Hund auf der Wiese. Zuhause warten schon Claudia & Familie mit dem Grill und ein verdammt großer Traum der letzten Monate geht noch am selben Abend in Erfüllung. Grillen im Garten.
Morgen gibt es einen Tag Pause, also Zeit für eine Waschmaschine, so daß der nächste Traum auch gleich morgen in Erfüllung gehen wird: Saubere Wäsche.
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