Dienstag, 05.06.2012
Schwand (Kleines Wiesental) zum Belchen
6 h / 21 km
Zum Frühstück gibt mir der Seniorchef
des Gasthofes noch zahlreiche Tips für die heutige Tour zum Belchen,
für ihn der schönste Schwarzwaldgipfel überhaupt. Er serviert
einen Wasserfall aus Ortsnamen, von denen ich mir überhaupt keine
merken kann, also nicke ich einfach interessiert und setze einen inspirierten
Gesichtsausdruck auf. Eine halbe Stunde später verlasse ich einen
Laden, in dem ich gerne länger geblieben wäre, nicht zuletzt, um
mich mal durch den Rest der Speisekarte zu arbeiten. Auch wenn ich
mit mindestens 25 Jahren Abstand der jüngste Gast war...
Draußen ist es kühl und wolkig, die
Wiesen sind naß -- aber nach Regen sieht es nicht mehr aus.
Eigentlich sehe ich erst heute den Schwarzwald zum ersten Mal
(gestern an meinem Pausentag habe ich noch nicht mal mein Zimmer
verlassen und statt dessen nur rumgegammelt) und das ganze
Panorama ist voll mit kleinen und größeren Hügeln, Wald und
Wiesen. Sehr schick. Dagegen kann der Harz leider einpacken.
Es geht fleißig bergauf und bergab,
aber ich bekomme ständig kleine Aussichten serviert. Das tröstet. In den Dörfern
versuche ich herauszufinden, wie hier eigentlich die gültige
offizielle Begrüßung ist, aber alle Dorfbewohner trällern mir
entweder ein "Guten Morgen!" oder ein "Hallo!"
entgegen. Das kann doch nicht der originäre Schwarzwaldgruß sein --
ich unterstelle daher sofort Touristenmodus. Egal, die Dörfer sind
schön, es gibt viele alte Häuser und die wenigen Neubauten sehen
meistens weniger schlimm aus als im Flachland. Irgendwann wird mir
klar, daß die klassischen Schwarzwaldhäuser mit ihren tief
gezogenen Dächern ein bißchen aussehen wie Darth Vader, was auch
ganz wunderbar zu meiner röchelnden Atemtechnik bei steilen
Aufstiegen passt.
Eigentlich ist der Tag ein schöner
Spaziergang, dessen Lieblichkeit von so Namen wie Galgenköpfle,
Sägemättle oder Ahörnle unterstrichen wird. Le, le, le. Da isses
wieder, das Standardanhängsel.
[Einschub wg. akuter Textassoziation zu: "Verniedlung C-H-E-N / bleib nicht stehen wie the R-A-K-I-M / I made it this far / can't stop now / there's a will and a way and I got the know-how..." aus Kinderzimmer Productions, Quoterman; aber das nur am Rande...]
Das zahlreiche Wandervolk, das ich so
unterwegs treffe, ist durchgehend auf Schlendertour unterwegs. Kurz
vor dem Aufstieg zum Belchen (1.414m) merke ich langsam, daß der Tag
eigentlich schon fast geschafft ist. Seltsam -- bei der Planung hatte
ich eher das Gefühl, daß heute furchtbar lang und anstrengend
werden wird. Aber lieber mal nicht den Berg unterschätzen und so
mache ich mich an einen langen Aufstieg und brauche für die 5 km bis
zum Gipfel dann doch weit über zwei Stunden, vor allem weil ich zwischendrin auf
herrlich sonnigen Aussichtsbänken dringend Mittagspause machen muß.
Ansonsten kommen mir tonnenweise ausstaffierte Wanderer entgegen, die
talwärts streben.
Oben warten schon die Massen. Naja Massen -- aber für einen Wochentag ganz ordentlich. Auf den
Gipfel führt eine Seilbahn, daher ist hier von Gipfelromantik keine
Rede. Den Gipfelrundweg hake ich im Eilmarsch ab, um mir nicht die
ganzen Leute anschauen zu müssen. Da gucke ich lieber Aussicht, und
die ist hier oben der Hammer. Hinter mir die Vogesen und meine Strecke von
heute und gestern, links die Rheinebene, die sich mit einem doppelten
Rhein und bretteben in der Ferne verliert, rechts unendlich mehr Täler und
vorne Freiburg, der Feldberg und noch mehr Schwarzwald. Sehr schick.
Das Meckern ist mir bei dem Anblick dann doch vergangen.
Auf dem Weg rüber zum Belchenhaus denke ich
natürlich noch den Satz, der bei unseren Familienwanderungen
eigentlich immer von irgendwem ironisch verkündet wurde: "Na
toll, hier hätte ich auch mit der Gondel hochfahren können...",
freue mich ein bißchen über dieses Ritual und werfe mich für ein
Radler und eine Kartoffelsuppe auf die Terrasse des Belchenhauses und
spiele Tourist. Dabei stelle ich:
Seit ein paar Tagen bin ich ja
sprachlich wieder auf der Höhe. Französisch sprechen und verstehen
ging ja zum Schluß ganz gut, aber mit der Muttersprache Deutsch ist
es echt was Anderes. Ich kann wieder Plaudern, mit der Bedienung
scherzen und auch mal Zwischentöne einfließen lassen, was mit
meinem Murks-Französisch echt nicht drin war. Das ist super, aber:
-- auf der Terrasse des Belchenhauses merke ich endgültig, daß das
auch einen Riesen-Nachteil hat. Ich verstehe plötzlich wieder den ganzen Schrott, den Tischnachbarn im Allgemeinen so reden. In Frankreich war mir das
immer zu anstrengend, daher habe ich die Konversationen um mich herum
immer ausgeblendet, aber jetzt krauchen die Gespräche von anderen
Leuten wieder automatisch an meine Ohren. Und all die Banalitäten
tun schon etwas weh.
Die letzte halbe Stunde runter zum
Jägerstüble ist ein Spaziergang mit den Händen in den Hosentaschen.
Bisserl bergab bis zur Talstation der Seilbahn und willkommen. Ein
schräger Laden, der sich noch nicht zwischen 60er Jahren und 2012
entscheiden konnte und daher mal beide Zutaten serviert. Am Abend im
Restaurant muß ich mir vom Nebentisch her die
HartzIV/Erntehelfer/Polen-Diskussion mit anhören und stöhne
innerlich vor Schmerzen. Verdammte Muttersprache...
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