6,5 h / 26 km
Tagelang gefroren und jetzt das... Schon am Vormittag schwülwarme Temperaturen und kaum Wind. Direkt gegenüber vom Hotel schlage ich mich den schmalen Waldweg hoch -- das war zwar nicht geplant, aber wenn mich beim Schritt vor die Tür gleich gegenüber so ein Weg direkt anlacht, kann ich einfach nicht anders. Gestern Abend von links gekommen, heute Morgen nach rechts weitergelaufen. So soll es sein.
Im Wald hinter Tiefenbronn suche ich vergeblich die alte Römerstraße, die hier irgendwo meinen Weg kreuzen müsste. Nix zu finden, also weiter auf breiten Forstwegen, die gerade und mathematisch einen stillen Wald durchschneiden. Nach einer Stunde unterquere ich die A8, auf der - für meine Verhältnisse - unwahrscheinlich viel Verkehr herrscht.WIe schon damals auf meiner Deutschlandreise ist auch diese Autobahn eine Art Grenze, die ich überschreite. Ein Kapitel, das ich hinter mir lasse. Alles südlich der A8 liegt jetzt hinter mir. Bis zur nächsten Autobahn...
Der Schwarzwald ist definitiv vorbei, er wurde abgelöst von einer Landschaft, die von der Abwechslung zwischen tief eingeschnittenen Flußtälern und sanften Hochflächen lebt. Oben auf den Feldern ist es still und leer, das Getreide steht in allen Grün- und Gelbtönen auf den Feldern und ein paar Pferde grasen am Waldrand. Auf einer kleinen Pausenbank überkommt mich der kurze Reflex, ein kleines Vormittagsschläfchen zu machen, aber ich lese statt dessen lieber ein bißchen.
Auf dem Feld wird es jetzt immer wärmer, die Sonne drückt sich immer mehr durch die Wolken, die am Vormittag noch dunkel aussahen. Selbst in der Sonne auf der Bank sitzen ist jetzt wieder schweißtreibend. Das hatte ich zuletzt vor fast 3 Wochen in Frankreich. Ein Blick auf die Karte läßt mich innerlich schon wieder ins Nörgeln verfallen: Die nächsten zwei Stunden bin ich auf freiem Feld oder durch Dörfer unterwegs. Wenigstens gut, daß die Zeiten des Sonnenbrandes inzwischen der Vergangenheit angehören.
Auf der übernächsten Bank beobachte ich gnädig für eine halbe Stunde die Radfahrer, die sich den Berg hocharbeiten, grüße den Bauern samt Traktor mit einem lässigen Kopfnicken und meine größte Sorge ist, ob es wohl im nächsten größeren Ort (Mühlacker) eine Eisdiele gibt. Probleme muß man haben.
In Mühlacker gibt es viel: Vorgelagerte mittelalterliche Befestigungsgräben. Eine Burgruine. Ein Bonsai-Center. Einen Marktplatz aus der Zeit der verheißungsvollen 80er Jahre. Eine nicht enden wollende Fußgängerzone, die mir vor allem deshalb so lang vorkommt, weil sie mich vor lauter Häßlichkeit vom richtigen Weg abbringt und statt dessen im weiten Bogen durch die Stadt führt. Und mir dabei die ganze Häßlichkeit von Mühlacker zeigt. Was mit Burg und Fachwerkhäusern begonnen hatte, läuft in Richtung Bahnhof in Dönerbuden, Spielhallen und schlimmen Kneipen aus, um nach der endgültigen Kapitulation in Form eines Großparkplatzes die Schändung der eigenen siechen Überreste durch Gewerbegebieten und Waldsiedlungen einzuleiten.
Und trotz alldem: Keine Eisdiele. Meine schwere Enttäuschung läßt sich noch nicht mal mit den sehr kalten Getränken, die ich bei Edeka nachkaufe, lindern. Das allerletzte, was ich von Mühlacker sehe, ist ein seltsamer Architektur-Versuch eines Wohnhauses aus Betonwürfeln, die erschreckend wenig Fenster haben. Und an dem der Schmutz wie dreckiger Rotz die Fassade herabläuft. Abgerockt, ungemütlich, nur schnell weiter.
Mein Schaudern über diesen Wohnblock (und die Vorstellung, darin wohnen zu müssen) sitzt so tief, daß ich auch eine halbe Stunde weiter in Lienzingen innerlich über die 60er-Jahre-Wohnsiedlungen schimpfe, bis plötzlich die nächste Straße mit Fachwerk und Schick und Schön mein Gemüt beruhigt. Mein blind ausgewähltes Dorfhotel entpuppt sich als Fachwerkhaus von 1450, das älteste Wohnhaus der Region. Mein Zimmer ist winzig, aber cool. Balken überall und das Bad ist - tadaah! - im Schrank. Glückstreffer!
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