Neubulach nach Tiefenbronn
7,5 h / 34 km
Ich hab in meinem gestrigen Post vollkommen vergessen, den Regenbogen am Schluß noch einzufügen, den mir der Himmel am Abend noch vor meinen Balkon servierte. Ich hole das heute mal als Quasi-Tages-Startbild nach, denn das Wetter war heute mal so, daß ich nix zu meckern hatte. Es sah zwar immer nach Unheil und Katastrophe aus, blieb aber trocken. Und das versöhnt..!
Heute ist einer der Tage, an denen ich morgens noch überhaupt keinen Plan habe, wo ich langlaufen will, denn die Landschaft ist heute irgendwie so kleinteilig. Keine richtig einleuchtende Route in der Wanderkarte zu finden, kein grüner Faden, also: Erstmal irgendwie los. Vorbei an dem doppelt mobilen Jägerstand (mit Bürodrehstuhl ausgestattet und auf einem Hänger verlastet), vorbei an den fluchenden Bauarbeitern in der Baugrube neben der Kläranlage, vorbei an den bouldernden Buben im Teinachtal.
Oben in Stammheim laufe ich gerade noch rechtzeitig auf dem Marktplatz ein, bevor die Geschäfte über Mittag zumachen. Es wird ein festliches Mahl: Fleischkäs-Weckle (jaja, Rudi...) und Schweizer Wurstsalat vom Metzger, Spezi und einen Nachtisch-Amerikaner vom Bäcker noch obendrauf. Während ich kauend auf der Bank sitze, hetzen noch sämtliche Handwerker der Umgebung mit ihren Sprintern und VW-Bussen auf den Platz, um noch schnell ihr Mittag zusammenzukaufen. Hier ist die Welt noch in Ordnung: 2 Metzger, 2 Bäcker, 1 Schreibwarengeschäft und 1 Klamottengeschäft mit schlimmen Fummeln, die unsereins niemals freiwillig auch nur anprobieren würde.
Beim Weg raus aus Stammheim komme ich noch mit einem alten Herrn mit Gartengerät ins Gespräch. Die Frage, ob ich's noch weit habe oder ob ich länger auf Tour sei, habe ich ja schon oft gehört. Dieser gute Mann schiebt dieser Frage aber gleich die einzig richtige Frage an einen Wanderer, die aber nie gestellt wird, hinterher: "Haben Sie Durst?". Ich bin so geplättet, daß ich mit dem Verweis auf das eben eingenommene Mittagessen ablehne. Wir plaudern noch ein bißchen über Touren und Wandern und düt un dat, aber als ich weiterziehe merke ich, daß ich das Getränk so oder so hätte annehmen sollen. Schon aus Prinzip und Geste. Dann das nächste Mal...
Nach einer kleinen Etappe durchs Unterholz neben dem Bach schaue ich mal so standardmäßig mal an meinen Beinen herunter und pflücke schön drei Zecken von meinen Unterschenkeln, die da nix zu suchen haben. Ein weiteres Exemplar hat sich in den Falten meiner Hose verkrochen, um auf bessere Zeiten zu warten, aber auch daraus wird nix. Als Rache für die schnelle Enttarnung spüre ich den ganzen restlichen Tag einen Phantom-Juckreiz überall. Auch jetzt, während ich diesen Text tippe. Drecksviecher!
Oben auf der Hochebene trifft mich dann der Motivations-Tiefschlag. Vorhin in Stammheim hatte ich ein Schild "Tiefenbronn: 12 km" gesehen und mir noch gedacht: Naja, doch weniger Strecke als gedacht. Haste dich auf der Karte verschätzt. Biste schon weiter gelaufen als gefühlt.
Jetzt steht da: "Tiefenbronn: 21 km". Ich glaube es erst, als das nächste Schild kommt: "Tiefenbronn: 20 km". Die Deppen haben bei dem Schild unten im Ort einfach mal 10 km weggeschummelt. Das ist ungefähr genauso hart, als wenn man einem Kind Schokolade hinhält, um sie dann unter lauten "Ätschebätsch!" selber zu essen...
Naja, dann heißt es also Gas geben. Heute Abend will ich mich noch mit der Riednerin treffen, eine Freundin aus der Heimat, die jetzt in Stuttgart wohnt. Wenn ich einigermaßen zeitig ankommen will, muß mehr drin sein als Schlenderschritt. Und genau so gehen die nächsten drei Stunden auch rum. Naturschutzgebiet? Meh. Aussicht? Meh. Grillhütte? Meh. Nur weiter und Strecke machen. Eigentlich unschön, aber die Aussicht darauf, heute Abend eine alte Freundin wiederzutreffen, macht Laune und Beine.
Und wie immer, wenn der Herr auf stur schaltet und Gas gibt: Es klappt alles. Irgendwann sehe ich Tiefenbronn am Horizont und weiß, daß ich doch deutlich vor 1800 Uhr ankommen werde. Noch schnell die Jugendherberge in der alten Burg hinter mich gebracht -- hinter jeder Ecke steht ein knutschendes Teenagerpäarchen und stiebt ertappt auseinander, wenn sie mich entdecken. Noch ein paar Kilometer durch den Wald, den Hang runter und plötzlich stehe ich im Würmtal, da ist ein kleines Brücklein und gegenüber ist mein Gasthof, eingekuschelt in wucherndes Grün. Mit der Riednerin sitze ich sehr lange im Restaurant bei Maultaschen und Kässpätzle zusammen und merke, daß es etwas anderes ist, alte Freunde auf so einer Tour zu treffen, statt sich ständig vor fremden Leuten ständig aufs Neue erklären zu müssen.
Der Fluß direkt unter meinem Fenster liefert den Soundtrack zum Einschlafen -- was sicherlich nicht lange dauern wird...
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