Samstag, 9. Juni 2012

Der Kleiekotzer und andere bewegliche Teile werden nicht in der Mühle gelagert.

Freitag, 08.06.2012
Alpersbach nach Bubenbach
8,5 h / 31 km


Argh - dieser erste Blick morgens aus dem Fenster. Dieser erste Blick, der Regen und der stille Seufzer. Der Frühstücksraum ist plötzlich total kuschelig, es gibt ein liebevolles Spiegelei, abgefahrene Fruchtsäfte und eine Zeitung. Trotzdem muß ich irgendwann los. Und so stehe ich mißmutig um 10:00 im Regen, in vollem Ornat, und ringe mit meinem inneren Schweinehund. Aber davon hört der Regen auch nicht auf, also los.

Durch nassen Wald runter ins Höllental. Schon von weitem höre ich die vierspurige B31 jaulen. Die Ravenna führt viel Wasser von den ununterbrochenen Regenfällen der letzten Nacht, aber sie läßt noch einen halben Meter Platz in der Unterführung, was mir die Hasenhatz quer über die Bundesstraße erspart.



Am Eingang der Ravennaschlucht erwarte ich Menschenmassen. Schließlich ist diese Sehenswürdigkeit in meiner Wanderkarte nicht nur mit einem normalen Stern, sondern mit doppeltem Stern ausgezeichnet. Aber: Keine Sau unterwegs. Und ich bin in der Schlucht mit ihren braunen und brüllenden Wassermassen alleine. Überall bahnt sich Wasser seinen Weg. Aus allen Ritzen dringt Wasser, mit Macht drückt die schaumige Brühe ins Tal und bahnt sich ihren Weg über Stock und Stein. Ihr normales Bett hat die Ravenna heute Nacht verlassen. Mitten im Fluß steht eine kunstvoll gestapelte Steinsäule, widersteht der Strömung und ist plötzlich der stillste Punkt in der ganzen tosenden Schlucht. Solche Momente sind wie Geschenke...

Auf halbem Weg komme ich an einer alten Mühle vorbei, denkmalgeschützt von anno blablabla und bleibe beim Lesen der Infotafel hängen: "Der Kleiekotzer und andere bewegliche Teile werden nicht in der Mühle aufbewahrt." Was soll der Durchschnitts-Wanderer mit dieser Information anfangen? Was ist überhaupt ein Kleie-Kotzer? Ist da eventuell eine bundesweit operierende Kleie-Kotzer-Mafia am Werk, die aus alten Mühlen Kleie-Kotzer stiehlt?

Hinterzarten hält seine Besucher am kurzen Zügel. Die einzige Tankstelle hat natürlich keinen Spiegel mehr. Der Bäcker glänzt mit schmalem Angebot und einzig die Metzgerei nebenan hat alles in Hülle und Fülle. Ich kaufe Fleischkäs-Weckla (aka Leberkässemmel), Wurstsalat und Ringelwurst. Alles, was mir jetzt noch fehlt, ist ein ordentlicher Platz zum Mittagessen. Bietet sich sofort am Marktplatz, gleich unter dem Pavillon mit den Veranstaltungsankündigungen. Nachdem es mir da aber auch auf die Knie regnet, ziehe ich nach ein paar Bissen wieder weiter.

Eine gute Stunde hinter Hinterzarten falle ich fast vom Glauben ab, als mir mitten im Regen plötzlich eine Touristenbimmelbahn auf der Straße entgegen kommt. Voll besetzt. Hier - bei diesem Wetter - ist das eine Erscheinung, die so ein bißchen an den Fliegenden Holländer erinnert. Schnell mache ich noch mehr Tempo, um den Touristentrubel endlich hinter mich zu bringen. Oben am Heiligenbrunnen finde ich eine Grilhütte, in der ich mich nochmal für eine halbe Stunde vor dem Regen verstecke. Endlich Zeit für richtig Mittag, endlich mal die Karte ausbreiten und gucken, wo ich heute überhaupt langlaufen will.

Als ich wieder starte, ist der Himmel trocken und ich kippe ab ins Schildwendental. Auf einmal wird alles ganz still. Keine Autos mehr, keine Menschen, nur hinten auf dem Feld odelt ein Traktor. Endlose Wiesen und Wälder, einzelne Bauernhöfe, die sich in den kilometerweiten Entfernungen zueinander verlieren. Unten am Bach folge ich einem schmalen Weg in ein Nebental, begleitet von einer einsamen Stromleitung, die kurz darauf am letzten Haus allein auf weiter Flur endet.

Hinter Unterlangenordnach tauche ich wieder in den Wald ein, endlich laufe ich wieder durch stillen, nassen, grünen und endlosen Wald. Ich treffe keine Menschenseele, was ein mehr als wohltuender Kontrast zu gestern ist. Kein Haus, keine Straße, nichts quert meinen Weg -- und als ich drei Stunden später in Eisenbach wieder aus dem Wald komme, scheint die Sonne. Der Kiosk hat heute ein bißchen früher Feierabend gemacht als sonst und seinen Eingang schonmal mit allen möglichen Schildern und Aufstellern verbarrikadiert. Beim letzten Stück durch den Wald verlaufe ich mich natürlich nochmal stilecht und lande dann doch irgendwie querfeldein bei meinem Hotel, das eigentlich gar keins sein will. Es war mal eins, unbestritten, aber das ist sicherlich ein andere Geschichte, die ich hoffentlich noch aus dem jungen Betrieberpäarchen rauskitzeln kann. Spätestens morgen zum Frühstück...

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