Donnerstag, 28. Juni 2012

Ich kann die Heimat schon riechen!

Mittwoch, 27.06.2012
Neuendettelsau nach Rednitzhembach
7 h / 27 km

Das christliche Leben beginnt früh. Gestern Abend war ab 21:00 Uhr Totentanz auf den Straßen, am Morgen herrscht schon ab 07:00 Uhr Hochbetrieb. Wir treffen uns zum frühen Frühstück, um Julias Zug in Richtung Heimat noch zu erwischen, ich drücke ihr ein bißchen Fracht für Berlin in die Hand, stecke noch den Segensspruch ein, den ich gestern statt der obligatorischen Schoko- oder Gummibärchen-Hotelaufmerksamkeit auf meinem Kopfkissen gefunden habe und ab geht's zum Bahnhof. Kurz vor unserem Abschied lernen wir noch, daß die Ghetto-Abkürzung für Neuendettelsau nicht wie vermutet NDA, sondern N'au ist. Und dann kommt Julias Bummelzug zurück in das Reich der Heiden, sie freut sich auf hauptstädtische Dinge wie thailändisches Essen und Club Mate und ich bin ab sofort wieder alleine unterwegs.

Auf dem Feld ist alles wie früher, das Korn wiegt im Wind und die Sonne knallt, soweit die Wolken sie lassen. Ich bin froh über solche Konstanten und über die Gewissheit, daß mich jeder Schritt der alten Heimat näher bringt. Mein heutiges Ziel Rednitzhembach kenne ich zwar nur vom Namen her, aber der Name riecht nach Nähe zu meinem alten Zuhause Feucht. Schon nach noch einmal zwei Stunden mache ich die erste Pause, lese ein bißchen und schaue den Ameisen auf dem Boden zu, wie sie sich über die Krümel meiner Käsestange freuen. Der nur auf den ersten Blick gut verpackte Wurstsalat vom Neuendettelsauer Metzger sorgt dafür, daß ich mich reichlich mit Wurstwasser einsaue -- ein Fest für alle Fliegen in der Nähe. Für alle Bremsen sowieso. 

Hinter Veitsaurach verschluckt mich der Wald, weite Fichten-Monokulturen, Blaubeersträucher am Boden. Es riecht nach warmem Waldboden und wilden Erdbeeren, von links ist das leise Fauchen der Autobahn zu hören, und ich sehe die ganzen Kilometer im Wald keinen Menschen. Erst kurz vor Kammerstein kommt mir ein Auto entgegen, daneben ein Schäferhund, der spazieren gefahren wird. Hinten sitzt die Tochter im offenen Kofferraum, Mutti fährt, Bello läuft. Die beiden Damen sehen auch sonst so aus, als ob sie ihre Probleme eher auf Redneck-Art lösen, wenn ich das mal so salopp sagen darf.

Irgendwann komme ich am ersten Ortsschild mit dem Zusatz "Landkreis Roth" vorbei und muß stehenbleiben. Das Ansbacher Land liegt jetzt hinter mir, Ansbach, Neuendettelsau, Dinkelsbühl -- alles fränkische Orte, die ich von früher her irgendwie kenne, aber zu denen ich kein wirkliches Verhältnis habe. Nicht daß ich das in intimerer Weise zum Landkreis Roth hätte, aber es ist der Nachbarlandkreis von meinem alten Landkreis Nürnberger Land. Plötzlich merke ich, daß Feucht und Altdorf wirklich nicht mehr weit sind. Die Routen meiner Radtouren führten durch diese Wälder. Beim Schild "Schwabach 3 km" wird das Gefühl noch stärker. Das liegt doch gleich um die Ecke von zuhause. Und langsam hämmert sich ein Gedanke seinen Weg durch die Hirnwindungen nach vorne und setzt sich dort fest: "Scheiße, war das weit." Zum ersten Mal beginne ich die Tragweite der 2.500 Kilometer zu ahnen, die ich hinter mir habe. Nicht nur ein Wiederfinden von Orten, die ich mal besucht habe, sondern ein Wiederfinden von Orten, in der ich aufgewachsen und groß geworden bin.

Noch ein Tag und ich bin zuhause.

In den Hügeln bei Kammerstein verlaufe ich mich noch ein bißchen, bummele die letzten Kilometer nach Rednitzhembach mal eben weg und bei all dem denke ich nur einen Gedanken: Noch ein Tag und ich bin zuhause.

Als ich das Mädchen an der Hotelrezeption frage, ob sie mir mal bitte Rednitzhembach erklären könne, weil ich irgendwie nicht verstehe, wie das mit den vielen kleinen Orten auf der Karte funktioniert, die alle irgendwie zu Rednitzhembach gehören, lacht sie ertappt auf, als würde auch sie sich für diesen Ort schämen. Ich tue es jedenfalls -- alles menschenleer und neubaufrisch, das Zentrum ist ein neu verunstalteter Rathausplatz mit gigantomanischem Brunnen, auf den Rasen drumherum hat jemand Metallfiguren aufgestellt, die wie umlackierte und geschrumpfte "Bahnsteig-Infotafel-Riesenmännchen in rot" aussehen. Das Zimmer ist überteuert, die Speisekarte zu billig um ihr zu trauen, aber egal. Noch ein Tag und ich bin zuhause.

Es ist wirklich so schlimm, ich kriege diesen Gedanken nicht mehr aus dem Kopf. Morgen wird es einen Moment geben, an dem ich Territorium betrete, wo ich schon hunderte oder tausende Male war. Ich weiß schon genau, wo ich entlang gehen werde, wo ich mir ein Eis kaufen werde, welche Abzweigungen ich nehmen muß. 

Morgen bin ich das erste Mal auf dieser Reise nicht fremd.

Hausnummernbingo: Monika aus dem Norden geht mit dem Hund raus.

Offensichtlich haben sich in Deutschland Bingonester gebildet. Nicht nur einzelne Straßen in Berlin, auch eine Straße in Lübeck fällt durch eine derart hohe Bingo-Hausnummerndichte auf, daß man fast blind werden möchte. Monika ist, in der linken Hand die Hundeleine, in der rechten Hand die Kamera, durch Lübeck gezogen und hat geknipst. Und fette Beute mit nach Hause gebracht. Damit katapuliert sie Schleswig-Holstein als Neueinsteiger direkt auf Platz 4 der Gesamtwertunge!


# 40a
gefunden in Lübeck, Kronsforder Allee

(kein Punkt, die 40 kennen wir schon aus dem Schwarzwald)




# 28
Lübeck, Dorfstraße

(kein Punkt, jibbet schon aus Norwegen)




# 53
Lübeck, Dorfstraße
Hier besonders schön getroffen: Die Dreifachnummerierung!

(Punkt für Schleswig-Holstein)



# 57
ebenfalls Lübeck

(kein Punkt, hatten wir gerade frisch aus Berlin)



# 67
Lübeck, Dorfstraße

(Punkt für Schleswig-Holstein)




# 75
Lübeck

(Punkt für Schleswig-Holstein)




# 12
Lübeck

(kein Punkt, die 12 haben wir schon aus BW)




# 33
Lübeck
Sehr schön seltsame Klebeziffern, sehr schön seltsame alte Metallhausnummern.

(kein Punkt, die 33 wurde schon in Franken gesichtet)


# 37
Lübeck

(Punkt für Schleswig-Holstein)




Und zu guter Letzt noch eine Doppelnummerierung an Haus und Carport, damit man auch noch weiß, welche Hausnummer man gerade anfährt, wenn man mit dem Auto unterwegs ist:

Hausnummernbingo: Diverse Kleintreffer und Vermischtes.

In den letzten Tagen erreichte mich eine tsunamieske Flut von Einsendungen, die solche gewaltige Ausmaße annahm, daß ich wahrscheinlich noch 1-2 Tage damit beschäftigt bin, alles zu präsentieren. Bei schlechter Internetverbindung wahrscheinlich noch länger...

Hier die kleinteiligen Bingotreffer der letzten Tage:

#33
gefunden in Königshofen, Ortsausgang Richtung Bechhofen (gleich in den ersten 5 Minuten des Tages)

Punkt für Franken, also Bayern.



 #2
Einsendung von Ma
gefunden irgendwo in Franken

Die #2 haben wir zwar schon, aber so eine schöne Nachtaufnahme (!) von einem Briefkasten (!) kann nicht unveröffentlicht bleiben. Dennoch leider kein Punkt für Bayern.

Mittwoch, 27. Juni 2012

Hausnummernbingo: Kommissar B. ermittelt...

Diese Woche ist gezeichnet von erschütternd zahlreichen Einsendung aus bisher eher schlappen Bundesländern. Kommissar B. aus Berlin hat sich die Verantwortung, die Ehre der Bundeshauptstadt zu retten, aufgeladen und schickte eine - nun ja - tonnenschwere Sammlung von Hausnummern, die einen erschreckenden Trend aufzeigen. Man hätte es sich denken können, aber wer offenen Auges durch das Neue Schlachthofviertel im Friedrichshain / Prenzlauer Berg geht, wird blutige Augen bekommen. Denn dort scheint sich auf wenigen Hektar die wohl dichteste Bingo-Hausnummerndichte ever abzuspielen. Doch sehen Sie selbst:

# 81
gefunden in Berlin, Richard-Ermisch-Straße

(Punkt für Berlin)






 # 61
gefunden in Berlin, Richard-Ermisch-Straße

(kein Punkt, die 61 haben wir schon aus Brandenburg)
 





# 77
gefunden in Berlin, Richard-Ermisch-Straße

(auch kein Punkt, die 77 ist auch schon nach Brandenburg vergeben)







# 57
dito
Nur so zwischendurch: Das ist tatsächlich NICHT 4x dieselbe Haustür, an die jemand zur Erschleichung von Bingotreffern verschiedene Nummern gehängt. hat. Die Häuser in der Ecke sind so Scheiße.

(Punkt für Berlin)



# 23
Berlin, Richard-Ermisch-Straße

(kein Punkt, ebenfalls schon in Brandenburg gesichtet)






# 32 (als Briefkasten)
Berlin, Erich-Nehlhans-Straße (ebenfalls ehem. Schlachthofgelände)

(Punkt für Berlin)






# 31
Berlin, Zur Marktflagge (gleich um die Ecke...)
Hier übrigens in einer noch nie gesehenen Sonderausführung mit einem Pfeil. Was das nun wieder soll, wissen wohl nur die Bewohner. Wahrscheinlich haben sie Angst, daß man ohne Pfeil das Haus oder den Eingang verwechseln würde... Harhar.

(Punkt für Berlin)



Kurzer Zwischenstand: Das waren 7 Hausnummern auf vielleicht 300 Metern, davon 4 Punkte. Ich fand die Häuser da oben schon immer schlimm, aber jetzt weiß ich gar nicht mehr, wie ich das noch steigern soll. Vielleicht mit dem folgenden Bild, das einen unserer Briefkästen zeigt, der - obwohl mit Solar und allem Tamtam bestückt - nummernfrei durch die Weltgeschichte gehen muß. 












Aber machen wir erstmal weiter mit dem Nummernfeuerwerk, Kommissar B. hat nicht etwa an dieser Stelle aufgehört, sondern weiter eingesammelt.

# 10
Berlin, Theodor-Heuss-Weg (Ernst-Reuter-Siedlung)
An dieser Nachtaufnahme (1x mit / 1x ohne Blitz) sieht man sehr schön: Dat Ding funktioniert. Es leuchtet. Auch gegen den Blitz. Ich bin ein bißchen beeindruckt...

(kein Punkt, die 10 liegt ebenfalls schon in Brandenburg begraben)

 # 40
Berlin, Koloniestraße (Wedding)

(kein Punkt, gibt's schon aus dem Schwarzwald)






# 42
Berlin, Soldiner Straße (Wedding)

Besondere Beachtung sei dem Postboten geschenkt, der dank geschickter Hausnummernauswahl auch an dunklen Wintermorgen nicht mehr rätseln muß, ob er denn auch vor dem richtigen Haus steht.

(Punkt für Berlin)



Na? Schon Tränen in den Augen? Es geht aber noch weiter, im Gewerbegebiet Storkower Straße... Leider alle über 100, also ohne Punkte für Berlin.



Und besonders sehenswert: Ein kleiner Schildbürgerstreich:



Das war's von Kommissar B. Ich bin einigermaßen geplättet ob der akribisch gesammelten Treffer...

Letzter Tag mit Frau Julia.

Dienstag, 26.06.2012
Haundorf nach Neuendettelsau
6,5 h / 22 km

Gestern Abend habe ich mich noch mit meiner liebsten Freizeitbeschäftigung vergnügt: Vergebliche Zimmersuche. Anscheinend ist in Nürnberg Messe oder die Hottentotten sind los, ich weiß es nicht, aber alle Gasthöfe und Hotels in der näheren Umgebung sind mehr oder weniger ausgebucht. Erst ab 70 EUR aufwärts pro Einzelzimmer gibt es hin und wieder zaghafte Treffer, aber da fährt mir mein Ehr- und Spargeiz in die Parade. Eigentlich war Heilsbronn für heute Abend als Ziel angepeilt, aber das konnte ich mir schon relativ früh am Abend abschminken. Einzige bezahlbare Alternative: Neuendettelsau. Im Gästehaus der Diakonie. Na Halleluja...

Um zu vermeiden, daß uns der Weg heute genausowenig gefällt wie gestern, geht es gleich von Anfang an in Richtung Abenteuer. Hinter dem Hotel führt ein Weg am Teich entlang in den Wald. Auf der Karte ist er nicht verzeichnet, aber egal, wird schon in die richtige Richtung führen. Zwanzig Minuten weiter nördlich umgehen wir eine Straßenbaustelle galant auf der großzügigen Wiese, peilen den Waldrand an und --- ich liege im Graben. Vor lauter klugem Rumposen mit Karte in der Hand habe ich den gut mit Gras getarnten Graben in der Wiese übersehen. Mein rechter Fuß will ausgleichen, wackelt und verliert das Duell. Die nächsten Minuten humpele ich wie ein alter Mann, dann geht's besser. Es wird aber für den Rest des Tages zwei Fußstellungen geben, die weiterhin höllisch wehtun...

Dafür sind die Wege schön. Lauschige Waldwege unter stillen Nadelbäumen. Abenteuerliche Pfade durch hüfthohes Gras. Wir rätseln nach wie vor, was uns gestern den Tag verhagelt hat und finden keine Antwort. Aber es ist klar: Heute läuft's wieder wie am Schnürchen. 

Rechtzeitig um Viertel vor Zwölf rauschen wir durch Mitteleschenbach, schneiden den Fahrradfahrern den Weg ab, stürmen den Dorf-Edeka mit angeschlossenem Bäcker und machen dabei eine kleine Zeitreise in die 80er Jahre. Der Laden erinnert mich schwer an den Condi (oder war das irgendeine Urform von Coop?) bei uns in der Nachbarschaft, schmale Gänge, überall einzeln aufgedruckte Preisschilder. Man kennt sich. Uns kennt man nicht, also müssen wir an der Kasse ewig warten. Dafür, daß unsere Beute von der Backwarentheke aber herausfordernd günstig war, nehme ich das gerne in Kauf.

Hinter Mitteleschenbach wandern wir das stille Mühlbachtal entlang, unsere Suche nach einem schönen Mittagspausenplatz bleibt relativ vergeblich, dafür verläuft sich der Weg langsam im Gras und das kleine Tal, mit hoher Wiese zwischen den waldigen Hängen, wird ein stiller Tunnel, durch den wir ungesehen von allem und allen weiterziehen. Irgendwer oder irgendwas ist hier vor Kurzem langgelaufen, man sieht eine schwache Spur im hohen Gras. Zufrieden knipsen wir die Köpfe aus und folgen einfach der Spur, immer den Talgrund entlang. Erst als das Dickicht zunimmt, steigen wir den nächsten Hang hoch, stehen auf einem langweiligen Feldweg, wo ich erstmal zahlreiche Zecken von meinen Beinen pflücke. Julia ist schon ganz neidisch, weil sie noch keine gefunden hat...

Die nächsten Stunden schwimmen wir abwechseln durch dichten Wald und sonnenbrennende Felder, wir sehen Rehe und Hasen, reifes Getreide und Maispflanzen, die sich im Wind wuscheln. Die Idylle kippt erst, als wir in das Tal der Fränkischen Rezat kommen, der Verkehr auf der Bundesstraße ist weithin zu hören und nimmt jegliche Lieblichkeit aus dem Panoramablick. Für die letzte Pause dieses Tag geben wir dem Locken einer brandneu installierten Bank mit blitzsauberem Steinfundament nach, ich kann die Ruhe nicht richtig genießen, weil die Wirkung meiner Allergietabletten nachläßt. 

Also schnell rüber nach Dinkelsbühl, in der Stadt wird überall an Zelten und Buden für die Kärwa am Wochenende gebaut. Häßliche Dönerimbisse gibt es im Überfluß, aber auch eine Eisdiele. Das ist genau die richtige Belohnung für diesen schönen Tag. Ein paar hundert Meter weiter ist unser Diakonie-Gästehaus-Hotel, auf dem Weg dahin lachen wir noch über die riesige Schautafel, auf der alle Einrichtungen und Untereinrichtungen der Diakonie in Neuendettelsau verzeichnet sind. Mit dem Druck auf das gewünschte Knöpfchen leuchtet dann ein Licht neben dem entsprechenden Gebäude auf dem Stadtplan auf. Mein Favorit: Die Hostienbereitung. Sicherlich eine dampfende Fabrik mit Werkstoren und Feierabendsirene. 

Beim Abendessen machen wir's heute nicht unterhalb des besten Hauses am Platze. Die Goldene Sonne sah nicht nur von außen gut aus, schon bei der Speisekarte läuft uns beiden das Wasser im Mund zusammen. Und das ist angesicht unserer durchaus recht unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten doch ein kleines Highlight. Heute Abend feiern wir Abschied, morgen fährt Julia wieder zurück nach Hause. Nachdem ich zur Feier des Tages auch auf einen Nachtisch nicht verzichten konnte, beobachten wir noch den älteren Herren am Nebentisch, der uns eben nicht nur sehr nett gegrüßt hat, sonder auch ganz selbstlos schonmal für seine Frau bestellt (die etwas später kommt), bevor er sich überhaupt Gedanken macht, was er denn gerne möchte. Die Tür geht auf, Auftritt des Drachens. Sofort wird er angefaucht, alles hat er falsch gemacht. Das Bier, was er bestellt hat, falsch. Sie wollte ein alkoholfreies Pils. Und wenn es keines gibt, dann ein anderes. Alkoholfreies Weizen. Aber kein normales Bier, also falsch. Weil du mir nie zuhörst!

Julia und ich schaudern, während wir den Nebentisch belauschen, und unsere Sympathien sind ganz klar verteilt. Wenn einer von uns jetzt rübergehen würde und dem Drachen die Leviten lesen würde, wäre wahrscheinlich sowieso wieder der arme Ehemann den Drachen wahrscheinlich sogar noch verteidigen. Voller Mitleid verlassen wir den Laden, der ältere Herr erwidert unseren Abschiedsgruß, immer noch freundlich.

Dienstag, 26. Juni 2012

Hausnummernbingo: Drei auf einen Streich.

Rudi legt nach, leider außerhalb der Wertung. Denn die #24 wurde bereits gefunden. Für die B-Note kann ich natürlich der Bingogemeinde den Dreier aus "24 -24a - 24c" nicht vorenthalten. Warum aber ausgerechnet an der #24b nicht nach Vorschrift gearbeitet wurde, bleibt offen. Hessen ist also mit den 24ern nicht nur zu spät, sondern auch schlampig.




Gefunden in Kiedrich, bei Eltville, Nähe Kloster Eberbach, im Rheingau. So hat es Rudi beschrieben. Sagt das jemandem was? Nein.

Hausnummernbingo: DIe unglaubliche Bilddokumentation der #11.

Verehrte Bingogemeinde,

gestern erreichte mich erschütterndes Bildmaterial aus Hessen. Der Hausnummerndebütant Rudi hat Großes geleistet und nicht nur die Nummer 11 gefunden, sondern quasi die Lebensumstände der seltsamen Bewohner ebenjener 11 dokumentiert. Mit einer tiefenscharfen sozialpsychologischen Studie, die unter die Haut geht. Aber der Reihe nach. Zunächst das offizielle 11er-Foto, das schonmal viel Schönes hat:

#11
Einsendung von Rudi,
gefunden in Wiesbaden-Frauenstein (Hessen)

So ne 11 auf Stelzen ist ja schonmal ganz schön, aber der Einsender hat noch mehr auf Lager. Es folgen einige Aufnahmen der ersten Eindrücke auf  die Bewohner von Haus Nummer 11. Was für ein Auto fahren die? Für welchen Briefkasten haben die sich entschieden? Und sind die Nachbarn am Ende dem guten Vorbild gefolgt und haben sich auch eine bingofähige Hausnummer zugelegt?




Schönschön. In dieser #11 wohnen also Autoliebhaber mit einem Faible für naturnahe Gartengestaltung. Mich persönlich hätte ja beim Anblick des Lochs in der Hecke "Bitte Post Zeitungen" ja nochmal sofort interessiert, ob der Briefträger die Post einfach in die Hecke wirft. Rudi hat leider versäumt, das zu eruieren, aber bevor auch nur der leiseste Vorwurf aufkommt, macht er mit dem folgenden Bild seiner Einsendung endgültig zur Wiesbadener Milieu-Studie. Ein Foto der gegenüberliegenden Nachbarn (#18), die sich bestimmt schon ewig über dieses verlotterte Grundstück gegenüber schwarzärgern. Und sich deswegen zu fein sind, sich auch so eine tolle Hausnummer zu kaufen. Herrlich!


Rudi -- sauber gemacht!

Wenigstens hat's nicht auch noch geregnet...

Montag, 25.06.2012
Königshofen nach Haundorf
7 h / 24 km

Schöne Quartiere zu verlassen ist immer hart. Heute ganz besonders. Ich habe den ganzen letzten Abend und die Nacht nach dem Haken bei dem 39 EUR-Zimmer gesucht, aber keinen gefunden. Statt dessen verquatschen wir uns auch nach dem Frühstück nochmal mit der Wirtsfamilie, die echt die Ruhe weg hat.

In der Nacht hat es schwer geregnet, die Luft auf der Straße ist kalt und klar, der Wind ist - naja - uneinladend. Königshofen hat keinerlei Läden für uns vorbereitet, kein Bäcker, kein Metzger, nix. Also schnell die zwei Kilometer rüber nach Bechhofen, um den Tag wenigstens gut versorgt anzugehen. Gott sei Dank schlagen wir gleich beim ersten Laden zu, denn es gibt reichlich Auswahl, spannende Säfte im Kühlschrank (die mal wieder niemand kauft, daher sind sie richtig schön kalt) und sofortige Pfandrücknahme der tonnenschweren Saftflasche aus Glas. Das kann man ja keinem Wanderer zumuten. Bechhofen geht gut weiter, in schneller Folge gibt es den Zeitschriftenladen (Spiegel für Kilian) und den Edeka (Obst für Julia), ich bestelle zwischendurch schnell per Telefon meine neuen Wanderstiefel und bin glücklich, daß der Laden am anderen Ende der Leitung ganz sicher ist, daß ich das Paket bis Ende der Woche in den Pfoten habe. Es tut mir in der Seele weh, die Dinger bald zu ersetzen, aber ich befürchte, daß sie nicht mehr lange durchhalten werden.

Kurz hinter Bechhofen ist der Tag noch recht vielversprechend: Julia findet im Wald die ersten Blaubeeren, die schon fast reif sind. Wir finden den Weg nicht und schlagen uns quer durch den Wald, was schön nach Abenteuerurlaub riecht und am Ende doch zur gewünschten Kreuzung führt. Ich pflüche zwei Zecken von meinen Unterschenkeln, kurz bevor sie sich endgültig unter meine Hose verkriechen können.

Und mit diesen ganzen guten Nachrichten ist es irgendwie auch schon vorbei mit guten Nachrichten für den Tag. Kurzum: Langsam, aber merklich geht es heute bergab mit der Laune. Wir laufen viel Asphalt, der Wind schneidet und irgendwie ist alles heute zum Meckern. Meckern, wohlgemerkt, nicht Jammern. Hinter Mörlach wird der Asphaltweg zu einem endlosen Betonplattenweg, der in einem riesigen Bogen nach Ornbau führt. Wer nicht auf der Straße gehen will, muß hier laufen. Hinter Ornbau liegt ein riesiges Vogelschutzgebiet mit Betretungsverbot, das ich auf meiner Wanderkarte galant übersehen habe. Scheiße. Also großen Umweg planen. Auf schönen Wegen?`Fehlanzeige. Entweder Straße oder ein noch größerer Umweg...

Der Anblick von Ornbau gibt mal kurz ein wenig Hoffnung, aber außer einer schönen Brücke samt angeschlossenem historischem Stadttor wird wenig Leben serviert. Eigentlich gar keines. Wir sehen zwei oder drei Leute auf Fahrrädern, die durch die geschlossene Stadt irrlichtern, während die Trostlosigkeit der stillen Mittagsstunde uns noch schneller durch den Ort treibt. Kurz vor dem Ortsausgang gibt es nochmal einen kleinen Fischweiher, wir zwingen uns zur Mittagspause nieder, obwohl es windig ist. Und eklig. Und überhaupt. Lustlos sitzen wir auf der Bank herum, ziehen uns ein Kleidungsstück nach dem anderen an, lesen ein bißchen, essen ein bißchen unsere Vorräte auf, aber eine schöne Mittagspause sieht anders aus. Entnervt ziehen wir weiter.

Wir entscheiden uns für den ätzenden, aber direkten Weg, dann eben die Straße. Beim Laufen mache ich mir darüber Gedanken, was mit diesem Tag schiefgelaufen ist. Eigentlich hätte alles schick werden können, bzw. eigentlich ist alles schick: Kein Regen, ein bißchen Sonne, kühlender Wind, weite Aussichten über endlose Felder... Aber irgendwo ist irgendwas heute auf die schiefe Bahn geraten und wir ahnen, daß das nicht mehr gerade zu rücken ist. Die einzige Antwort: Augen zu und durch. Wir bringen die Straßenkilometer hinter uns, tauchen in den Wald ein, marschieren über ein paar Forststraßen und landen irgendwann in einem monströs großen Hotel in einem zwergenkleinen Dorf. Es gibt Griechisch heute Abend, der alte Fleisch- & Salzfreund Kilian natürlich super findet. Laut Eigenwerbung gibt es sogar "Die etwas andere griechische Küche", aber irgendwie erkennen wir keinen Unterschied. Vielleicht wird das Gyros nochmal freundlich belächelt. 

Wir sitzen beim Essen, sind beide froh, daß der Tag rum ist und wundern uns, was an der heutigen Tour überhaupt unser Problem war. Wir wissen es bis heute nicht, aber ist auch ok. Mit einem Schmunzeln über die verkorksten Stunden wackeln wir auf unsere Zimmer. Morgen ist ein neuer Tag.