Montag, 4. Juni 2012

Schwarzwald im Regen. Saftregen.

Sonntag, 03.06.2012
Weil am Rhein nach Schwand (Kleines Wiesental)
9 h / 36 km

Wäh! Sonntagmorgen bei Sonnenaufgang: Regen satt. Ich schaue ein bißchen aus dem Fenster auf den vollkommen leeren Platz vor dem Einkaufscenter. Gestern Abend musste man hier quasi durchschwimmen. Und jetzt: Kalte klare Regenluft. Naja, lieber erstmal frühstücken, vielleicht hört's ja noch auf.

Äh - nein, eher nicht. Um halb zehn stehe ich auf der leeren Straße und mache mich auf in Richtung Gewerbegebiet, was nicht schwer ist, denn von hier aus ist in jeder Richtung Gewerbegebiet. Ich eiere ein bißchen durchs Hafengebiet, das aussieht, als wäre hier seit Jahren niemand mehr gewesen. Überall alles wie ausgestorben. Nur die Dönerbude gegenüber der Hafeneinfahrt ist gerammelt voll, was auch mit viel Wohlwollen nicht für die Dönerbude spricht. Und bei McDonalds sind schon Frühstücksgäste. Ansonsten werde ich wieder daran erinnert, daß nur eines trostloser ist als Gewerbegebiete im Regen: Gewerbegebiete im Regen an einem Sonntag.

Von französischen Bäckerein verwöhnt, erlebe ich in der ersten deutschen Bäckerei erstmal einen hämischen Schlag ins Gesicht und werfe das zweite von zwei Schokocroissants erstmal angewidert in den Bahnhofsmülleimer. Gott sei Dank beginnen hinter Haltingen schnell die Weinberge und der Wald. Der Blick zurück in die Rheinebene zeigt nur urbanes Industriegebälk, Wohnblocks und ähnlichen Mist. Schnell weiter, da vorne beginnt der Schwarzwald.

Trotz des Regens teile ich den Forstweg mit zig Joggern. Anscheinend habe ich die Joggingautobahn von Lörrach und Haltingen erwischt. Gegen Mittag setze ich mich an der Hexenbrünnlehütte erstmal eine Stunde ins Trockene, hoffe das Beste und lese ein bißchen, bis mir kalt wird. Und weil es gerade nicht regnet, ziehe ich weiter. Links und rechts dichter Bannwald, durch den kein Weg führt. Der Forstweg ist weich vom Regen der letzten Nacht und des Vormittags, jeder Schritt sinkt tief ein. Nach mehr als einer guten Stunde lasse ich auch den letzten Mountainbiker hinter mir und teile den Wald nur noch mit dem Regen, der wieder eingesetzt hat. Und nicht wieder aufhören wird.

Der Regen setzt mit seltsamerweise nicht zu, es regnet halt. Es ist schön, alleine durch diesen nassen und kühlen Wald zu laufen, auch wenn man nicht viel davon sieht. Um meinen Kopf herum rauscht und tost es und ich weiß nie, ob es der Regen ist, eine Windboe oder ein Bach hinter der nächsten Ecke. Hinter der Straße soll es laut Karte nochmal eine Rasthütte geben, ich freue mich schon darauf, wenigstens ein paar Minuten im Trockenen zu sein. Also stapfe ich eine Dreiviertelstunde mit der Hoffnung auf eine trockene Rast weiter, um dann -- die Hütte nicht zu finden. Der Regen ist eigentlich nicht schlimm, aber die verpuffte Hoffnung auf etwas ist bitter.

Ich habe schon lange in den Scheuklappenmodus geschaltet. Weil ich die Wanderkarte nicht zum Umblättern aus der Hülle nehmen will, weil sie sofort durchweichen würde, orientiere ich mich eher an den zahlreichen Wegweisern, was auch ganz gut gelingt. Eine Übersicht, wie lange ich noch unterwegs sein werde, habe ich dadurch allerdings nicht.



Irgendwann habe ich mich damit abgefunden, daß alles naß ist. Daß ich eigentlich jedes Kleidungsstück mit Erfolg auswringen könnte. Daß sich innen am Boden der Regenhülle ein Wasservorrat gebildet hat, den ich mir alle zwei Stunden von hinten auf die Hose kippe, damit ich den Rucksack nicht beim Abstellen direkt ins Wasser stelle. Daß der Tag viel länger dauern wird, als ich mir das wünschen würde. Daß ich viel zu schnell laufe, um es hinter mich zu bringen. Denn irgendwann am Nachmittag geht mir dann doch die Lust verloren. Volle Kraft voraus, auch bergauf, einfach nur ankommen wollen. Kapuze und Mütze habe ich schon lange nicht mehr auf, ist eh egal, und die Regenjacke habe ich eigentlich auch nur an, um die Wärme einigermaßen am Körper zu halten. Darunter bin ich genauso naß, als wenn ich keine angehabt hätte. Wenigstens die Stiefel mit den frisch gekauften 3 EUR-Takko-Wandersocken sind erstaunlich trocken.

Ich muß ein schlimmes Bild abgeben, als ich gegen 1900 Uhr in meinem Berggasthof ankomme. Der Parkplatz ist voll und die Gäste drücken sich an den Panoramascheiben möglichst unauffällig die Nasen platt, was denn da für ein Landstreicher ankommt. Aber der Laden macht alles richtig. Die gute Frau nimmt mir fix Jacke und Regenhülle zum Trocknen im Heizungsraum ab. Es gibt einen extra Schuh-Trockenraum. Die Dusche ist heiß, mit frischen Klamotten fühle ich mich sofort wieder vorzeigbar und das Abendessen ist so gut und deftig und deutsch, wie ich es mir seit Monaten gewünscht habe. Grobe Bratwürste mit Zwiebelsauce als Vorspeise, danach das gute Wiener Schnitzel mit Pommes. Dazu Bier und ich bin sehr, sehr glücklich.

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