Freitag, 8. Juni 2012

Klassische Gipfeltour mit 800 Begleitern.

Donnerstag, 07.06.2012
Schauinsland nach Alpersbach (Hinterzarten)
6 h / 24 km

Früh los, raus in eine menschenleere Fußgängerzone. Das Frühstück habe ich mir geschenkt, irgendwie war ich noch nicht richtig bereit dafür. Und an der Straßenbahnhaltestelle bin ich auch froh darüber: Ich erwische die allerletzte Tram, die Richtung stadtauswärts fährt, bevor die Innenstadtlinien ihren Verkehr für die Fronleichnamsprozession erstmal einstellen. Hätte ich in Ruhe gefrühstückt, hätte ich am Ende zu Fuß aus der Innenstadt rauslaufen müssen... Bien fait, Monsieur!

Oben auf dem Schauinsland ist es wieder herrlich kalt, aber die Wolken sind weg und heute -- heute sieht man endlich mal was. Aber: Ich muß ja unbedingt an einem Feiertag die klassische Schwarzwaldtour "Schauinsland - Notschrei - Stübenwasen - Feldberg" machen. Noch in der ersten Stunde zähle ich schon über 60 Wanderer / Spaziergänger / Ausflügler und höre frustriert auf zu grüßen. Macht ja eh keiner außer mir freiwillig... 


Wenigstens fängt es wenig später an zu regnen, das treibt die Ausflügler vielleicht in die zahlreich verfügbaren Gasthäuser. Ich aber ziehe weiter, denn ich habe zwar Bärenhunger, will mir ebenjenen aber bis zum Raimartihof aufsparen, ein vielempfohlener Berggasthof. Eigentlich ein Tag zum Hassen, aber ich setze schnell meine Scheuklappen auf, wusele mich mit zügigem Tempo durch tonnenweise Wanderer und Radfahrer, lasse den Feldberg Feldberg sein und gucke ihn mir nur von unten an, denn was erwartet mich wohl oben? Seilbahntourismus. Siehe Illustration rechts. (Nur gut, daß ich heute früh selber mit einer Seilbahn aus Freiburg hochgefahren bin, da kann ich mir ja schön selber an die Nase fassen.)

In meinem Rucksack stecken tonnenweise Getränke, die ich heute nicht anrühre. Und gestern noch auf den letzten Drücker eingekaufte Leckereien, die ich heute verschmähe. Mir steht der Sinn nach Anderem! Auf dem letzten Stück vom Feldberghaus runter zum Feldsee treffe ich auf einer Wegstrecke von 1,4 Kilometern auf sage und schreibe 89 Leute. Aber ich habe alles gut abgepaßt, das sind die Mittagsgäste, die gerade im Raimartihof gegessen haben und die sich jetzt die Beine vertreten wollen. Als ich im Biergarten ankomme, herrschen sehr entspannte Platzverhältnisse. Ich werfe meinen Rucksack draußen an einem freien Tisch ab und gehe rein, bestellen! Mit Ausrufezeichen!

Ich bestelle eine kleine Erbsensuppe und ein Paar Bratwürste, ein Spezi für den Durst und - ja, geht schon wieder - ein Radler. Die Küche braucht ein paar Minuten, voller Entsetzen stelle ich fest, daß von den Portionsgrößen ganze Familien satt werden würden und als ich mein Tablett nach draußen schleppe, denke ich erstmal an "Verstehen sie Spaß?". Der ganze Biergarten, der vor gut zehn Minuten noch locker bevölkert war, ist plötzlich leer und alle sitzen an den paar Tischen direkt am Haus. Anscheinend hat es gerade, als ich drinnen gewartet habe, einen netten Schauer gegeben und alle sind ins Trockene geflohen. Also kann ich jetzt erstmal um einen Sitzplatz kämpfen, schlage mich mit dem Monstertablett zu meinem Rucksack durch und darf mich von dem stoffeligen Mountainbikepäarchen auch fast noch anpampen lassen, als ich mich neben sie an den Tisch setze. Fehlte nur noch, daß sdie beiden meinen Rucksack raus in den Regen geschoben hätten, damit sie mehr Platz haben.

Das Essen ist dermaßen reichlich, daß ich einen halben Teller Bratkartoffeln und Sauerkraut übrig lasse, um wenigstens noch eine Chance zu haben, die restlichen Kilometer zu absolvieren. Auch in meinem jetzigen Zustand kann nur noch von kugeln oder rollen die Rede sein. Ganz langsam, nur nicht überanstrengen. Aber das ist die Strafe dafür, daß ich mal wieder den Hals nicht voll genug kriegen konnte.

Die letzten eineinhalb Stunden geht's locker über Forststraßen rüber nach Alpersbach, kurz vor dem Hotel finde ich noch eine Bank, um endlich die Tonnen von Steinen und Krimskrams aus den Stiefeln zu leeren, die ich eigentlich schon seit 4 Stunden loswerden will. Denn merke: Wer seine Stiefel vor dem Hotel ausleert, hat später nicht den ganzen Sand und Dreck im Badezimmer. Und im Bett. Und überall.

Im Hotel empfängt mich ein junger Typ in einer Samtwesten-Uniform, den ich sofort bemitleide. Man sieht ihm ein bißchen an, daß er eigentlich ein anderes Leben führt, wo die Samtweste im Schrank bleibt. Nach dem Duschen schlafe ich erstmal einen kleinen Nachmittagsschlaf, irgendwann weckt mich ein Gewitter und prasselnder Regen auf meiner Dachschräge. Draußen geht jetzt wettermäßig erstmal die Welt unter, ich setze mich lieber unten an die Bar für gepflegte Alkoholika und - naja, irgendjemand muß doch - ein kleines Dessert im Restaurant. Womit der Magen auch schon wieder auf Anschlag wäre.

Als die letzten Restaurantgäste gehen, zuckele auch ich auf mein Zimmer zurück, damit die Hotelmannschaft Feierabend machen kann. Als ich auf dem Balkon noch kurz etwas frische Luft schnappe, ist das Letzte, was ich heute Abend sehe, die Samtweste, die schnell ins Auto springt und runter ins Tal in ihr echtes Leben fährt.



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