Samstag, 14. Juli 2012

3.000 Kilometer...

Freitag, 13.07.2012
Wiesa nach Pobershau
7 h / 28 km

Wie sagte die Wetterfee gestern Abend nach der Tagesschau: "Bei Dauerregen nur 14 Grad..." Ich hatte es verdrängt, auch mit Hilfe der Jalousien, die ich bis Oberkante Balkongeländer runtergelassen hatte. Was draußen abgeht, sehe ich also erst beim Frühstück und dabei verliere ich sofort den Appetit. Regenregenregen.

Am schwierigsten ist an solchen Tagen immer der erste Schritt raus aus der Tür in den Regen. Ich denke an das lachende Nilpferd von gestern, seufze einmal leise und laufe los.

Im nächsten Ort bin ich zu faul, um für den Supermarkt einen Umweg zu machen. Runter ins Tal und den gleichen Weg wieder hoch? Lieber nicht, wer weiß, ob ich heute überhaupt eine entspannte Mittagspause zustande bekomme. Einkaufen lohnt also vielleicht gar nicht. Statt dessen entere ich den einsamen Metzger am Ortsausgang, in einem sehr großen gekachelten Raum steht ein ganz kleines Kühlthenelement, dahinter ein alter Mann. "Herstellung wie zu Großvaters Zeiten", heißt es auf dem Schild, ich zweifle keinen Moment daran.

Wenigstens kommt oben an der Straßenkreuzung mal kurz die Sonne raus, ich pelle mich aus meinen Regenklamotten und biege zufrieden ins nächste Tal ab. Da wartet eine größere Herde sehr neugieriger Kühe, die mich im rotierenden Galopp begleitet und die ganze Palette der leicht wahnsinnig klingenden Mooohüü!-Laute mit Überschlag am Ende vorführt. Den langen Aufstieg auf der anderen Talseite darf ich freundlicherweise ohne Regen und mit kühlendem Wind in Angriff nehmen, oben in Mildenau regnet's dann aber wieder.

In der Dorfbäckerei empfängt mich ein Bilderbuchtraum: Oma hinterm Tresen, die Brote auf uralten Holzbrettern an der Wand, durch die offene Tür kann man nebenan in die Backstube gucken, herrlich. Und was sehen meine müden Augen: Rot-Weiß-Kekse! Die kenne ich noch aus meiner Kindheit, wenn wir in Niedersachsen die Großeltern besucht haben. Hier gibt es die also auch, und wie mir die Bäckersoma versichert, schon immer. Das ist doch mal ein schöner Ost-West-Moment. Ich verlasse den Laden mit massenhaft lecker Zeug in der Hand, komplettiere mein Sortiment im Edeka ein paar Meter weiter und entere das nächste Bushäuschen, um dort eine gepflegte Mittagspause abzuhalten, während es draußen regnet.

Das kleine Mädchen, das darauf wartet, von Mutti mit dem Auto abgeholt zu werden, traut sich natürlich nicht ins Bushäuschen, wenn da so ein komischer Wanderer mit Riesenrucksack drinsitzt und gerade noch mit dem Messer hantiert (naja, Stulle geschmiert...). Also wartet sie lieber draußen im Regen, was mir natürlich ein schlechtes Gewissen einjagt. Ich verzichte aber trotzdem darauf, sie anzusprechen und in das Bushäuschen einzuladen, wahrscheinlich würde sie da noch panischer reagieren...

Doof wie ich bin, laufe ich im Regen wieder los, am Ortsende trommelt es nur so auf den Asphalt. Obwohl gerade gestartet, rette ich mich unter ein Schleppdach der Argrarkooperative, stehe mißlaunig herum und hoffe, daß der Regen sich vielleicht endlich mal ein bißchen beruhigt. Tut er aber nicht, also ziehe ich mit verkniffenem Gesicht weiter und werde innerhalb der nächsten halben Stunde mal wieder richtig naß. Auf der Landstraße springe ich mehrmals auf der Flucht vor LKWs über die Leitplanke, der Busfahrer lacht sich darüber scheckig und grüßt mit Lichthupe. Der angepeilte Weg existiert nicht, also eiere ich die kurvige Landstraße runter ins Tal, freue mich darüber, daß der Regen zwischendrin mal aufhört und schlage mich über kleine Straßen weiter nach Osten.

Beim Versuch, eine kleine Abkürzung zu laufen, verkorkse ich mich im Wald und stehe irgendwann auf der kleinen Straße an dr Grenze des Truppenübungsplatzes, wo ich eigentlich gar nicht hinwollte. Seufzend rechne ich nochmal schnell auf der Karte nach und schieße brav das 3.000-Kilometer-Foto, obwohl ich dafür eigentlich einen viel schöneren Platz geplant hatte. Hinter der B174 verliere ich im Wald schon wieder den richtigen Weg, schlage mich durch tief vermatschte Holzabfuhrwege und hoch mit Gras zugewucherte Schneisen im Wald, stelle aber im nächsten Dorf fest, daß der Weg zwar scheiße aussah, aber immerhin genau richtig war. Das ist doch wenigstens mal ein kleiner Lichtblick. Neben dem Parkplatz am Dorfrand lege ich mich am überdachten Picknicktisch erstmal trocken und denke intensiv an das lachende Nilpferd, um meine Laune etwas zu heben.

Die Pferde auf der Weide wollen auch etwas Trost und kommen daher sofort zum Kuscheln rüber, der Regen schaltet sich jetzt im Halbstundentakt an und wieder aus. Den geplanten Abstecher durchs Schwarzwassertal spare ich mir heute, bemitleide statt dessen das frisch aufgebaute Mini-Festival "Rock auf dem Berg", das heute oder morgen wahrscheinlich noch im Regen versinken wird. Den Soundcheck höre ich noch zwei Kilometer weiter unten im Tal, als ich endlich mein Hotel erreiche. Die Seniorchefin macht mich glücklich, gibt mir das einzige Zimmer mit Badewanne und nach einem sehr nassen Tag nehme ich ein sehr heißes Bad und freue mich, dem Regen für ein paar Stunden entflohen zu sein.

Ist Sommer, oder?



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