Mittwoch, 25. Juli 2012

Der erste echt fiese Tag.

Dienstag, 24.07.2012
Burg nach Lübben (alles Spreewald)
8 h / 34 km

Erstmal ist alles perfekt. Blauer Himmel, Getränkemarkt gleich an der nächsten Ecke, Bäcker gleich gegenüber, bei der Post ganze 3,5 kg per Paket nach Hause losgeworden. Mein Rucksack fühlt sich jetzt federleicht an...

Am Ortsausgang steht der Bismarckturm, da war ich schonmal. Ich erinnere mich genau, daß ich davor geparkt habe, allerdings im Winter, als nix los war. Jetzt: Überall Autos, überall Radfahrer. ich laufe auf den asphaltierten Wegen sowieso gleich ganz links wie auf der Straße, um der radelnden Flut möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.

Die ersten Kilometer auf einem alten Bahndamm sind schick, da schattig. Spreewaldromantik mit Kahnfahrt ist allerdings nicht zu sehen, nur schlimme Modeläden mit mausgrauen oder steingrauen Seniorenblousons. Am Nordumfluter ist dann auch Essig mit Schatten, ab sofort geht es in der prallen Sonne übers Feld. Aber hey, wochenlang habe ich über das schlechte Wetter gemeckert, jetzt scheint endlich mal die Sonne. Und ab dem Nordumfluter wird auch die Orientierung einfach: Ab jetzt geht es sowieso nur noch geradeaus und in rechten Winkeln.

Auf dem Feld in der Sonne geben auch die Mücken und Bremsen ein bißchen Ruhe, wahrscheinlich isses ihnen zu hell. Asphaltierte Feldwege, mal als Radwege ausgewiesen, mal nicht. Das isses. Für den Rest des Tages. Aber ich bin selber schuld, denn ich habe bewußt auf den abenteuerlichen Wanderweg verzichtet, den ich auf der Karte gefunden hatte -- denn der führt direkt durch den sumpfigsten Teil des Spreewaldes und irgendwas sagt mir, daß ich da mit Mücken und Bremsen wirklich keinen Spaß mehr gehabt hätte. Also durch die Sonne und übers Feld. Um heute immer daran denken: Nicht meckern!

In der nächsten Siedlung finde ich ein herrliches Hinweisschild, das ich der gesammelten Leserschaft nicht vorenthalten darf. Ansonsten: Keine Vorkommnisse. Also schlage ich mich weiter bis Straupitz durch, wage einen Versuch einer Bummelpause auf einer frisch gemähten Wiese im Schatten einer riesigen Eiche, werde aber gleich wieder von fliegenden Biestern vertrieben.

In Straupitz steht mein grüner Mercedes in der Schrauberhalle und wird seit einigen Wochen notoperiert. Der Rost... Wenn ich hier schon vorbeilaufe, muß ich natürlich einen Spontanbesuch riskieren, vielleicht habe ich ja Glück und Wolfi ist da? Pustekuchen. Niemand zuhause, nix zu sehen. Leicht frustriert setze ich mich auf eine Bank am Dorfplatz und hebe erstmal die Saftflasche.

Hinter Straupitz wird die Landschaft zur echten Motivationsprobe. Links: Wiese. Rechts: Ein Graben, dahinter Wiese. Nix zu sehen, stinklangweilig. Schatten ist ein kostbares Gut und langsam merke ich, wie die Sonne immer kräftiger wird. (Nicht meckern, Herr Grauel, immerhin gibt es kaum Viecher...) Ich laufe ewig geradeaus, die Kilometerzahlen auf den grausam zahlreichen Wegweisern werden einfach nicht weniger, und jedesmal lege ich auf der Karte nur ein winziges Stück zurück, wenn ich gefühlt gerade eine Mörderetappe abgelegt habe. An der nächsten Brücke ist Frustpause, ich sitze im Schatten auf dem Asphalt herum -- ist der einzige schattige Platz weit und breit. Das nächste Radlerpäarchen klingelt und grinst ob meiner seltsamen Platzwahl.

Irgendwann schaffe ich es nach Alt-Zauche und - uff - es gibt ein nettes Café mit sehr kalten Getränken und einer Eiskarte. Ich bin ganz friedlich zu den Wespen, mit denen ich mir unfreiwillig Tisch und Speisen teile, erst als sich eine der Wespen förmlich in meinem Eisbecher suhlt (Rücken im Vanilleeis, Füße in den Himmel gestrecke!), werde ich ein bißchen grummelig. Spiegel lesen, im Schatten sitzen, vom Wind den schweißnassen Rücken trocknen lassen. Als ich aus dem Dorf rauslaufe, wacht wenigstens der Storch über meinen weiteren Weg.

Und der ist echt nicht mehr lustig. Geradeaus, geradeaus, geradeaus. Der Spaß ist mir schon ein bißchen verloren gegangen, die Landschaft ist reizlos, ich will den Tag echt nur noch hinter mich bringen. Blick links, Blick rechts, den Radfahrern ausweisen. Stirn abwischen, damit der Schweiß nicht in die Augen läuft, die nächste Landmarke anpeilen und die Zähne zusammenbeißen.

Während der letzten Stunde begleitet mich zu allem Überfluß noch der feine Verwesungsgeruch, der aus den Überschwemmungswiesen neben dem Flutkanal heraufmodert. Ein Radlerpäarchen überholt mich, der ältere Herr johlt im Vorbeifahren "Es gibt sie noch, die echten Idealisten!" und gibt Daumen hoch. Ein paar hundert Meter weiter kommen wir ins Quatschen, es sind die Rentner, die heute Mittag über mein Asphalt-Sit-In gelacht haben. Er erzählt, daß sie eigentlich keine Radfahrer, sondern auch Wanderer sind und daß es ihm - wie mir - heute schwer aufgefallen sei, daß niemand zu Fuß unterwegs ist. Außer mir. Als ich von meiner Reise erzähle, will er mich vor Rührung in den Arm nehmen, besinnt sich aber wegen Rucksack und Deoversagen meinerseits Gott sei Dank eines Besseren und klopft mir auf beide Schultern. Wenigstens ein versöhnlicher Abschluß für einen Tag, den ich einfach nur abhaken kann. Er war gut für 34 Kilometer, sonst nix. Vielleicht schalte ich schon auf Durchzug, um einfach nur noch anzukommen -- aber das wiederholt sich hoffentlich nicht noch die nächsten drei Tage bis zuhause.

Das wäre hart...

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