Montag, 9. Juli 2012

Aber hier leben, nein danke!

Sonntag, 08.07.2012
Erlbach nach Mühlleithen (Klingenthal)
6 h / 22 km

Beim Frühstück merke ich, daß ich vielleicht doch nicht der einzige Gast war. Drei fidele Damen sitzen da noch beim Frühstück, aber vielleicht kommen die auch hier aus dem Ort und wollten die sich auch einfach mal zur Abwechslung ein Hotelfrühstücksbuffet gönnen. Sie sprechen zumindest genauso unverständlich, wie es hier in der Region Brauchtum zu sein scheint.

Auf der Straße runter in den Ort beobachte ich einen jungen Vater, der seiner kleinen Tochter gerade das Fahrradfahren beibringt. Sie ist mit vollem Eifer dabei, inklusive zusammengekniffener Zunge. Damit ist es aber an der nächsten Ecke vorbei, denn da stehen zwei Pferde und ein paar Ponys auf der Wiese und das Mädchenklischee schlägt voll durch. Vati seufzt nur kurz "Naja, dann gucken wir eben Pferde..."

Am Vorderen Floßteich beginnt der Aufstieg -- ich habe ein bißchen unterschätzt, wie bergig die Ecke hier ist. Ich gehe extrem langsam, um mir die Schweißbäche zu ersparen. Interessanterweise gibt es heute kaum Bremsen, dafür kommen die langsameren Mücken wieder zum Zug, auf die ich meine Jagdstrategie erstmal wieder umstellen muß. Um das Trio komplett zu machen, schaffe ich heute endlich auch mal ein Foto von meinem dritten Lieblingsparasiten, der Hirschlausfliege. Fotoserie folgt...

Der Weg führt mich wieder auf langen Strecken direkt an der Grenze entlang. Beim Abstieg nach Klingenthal wird das Ganze immer abenteuerlicher und immer struppiger, bis ich mich auf dem letzten Stück unten vor der Straße durch verwachsene Brennesselwälder schlage. Direkt neben der Grenze komme ich aus dem Gestrüpp auf die Hauptstraße, dem Zöllner der mobilen Kontrollstelle auf dem Parkplatz gegenüber fallen förmlich die Augen raus und natürlich läßt er es sich nicht nehmen, mich zur Ausweiskontrolle über die Straße zu rufen. Kein Problem, kann er haben. Bei der Gelegenheit kann ich mir auch gleich nochmal bestätigen lassen, daß man nach dem Schengener Abkommen die Grenze überall (also auch mitten im Wald) ohne Kontrollen überqueren kann.

Im Ort treffe ich neben fiesen Gewitterwolken am Himmel auf eine schlimme Containerbäckerei (rechts im Bild, mit gelbem Dach). Da sie aber anscheinend die einzige Chance auf irgendeinen Mittagssnack ist, stelle ich mich an, bereue das aber beim Anblick des öden Fertigbackwarenangebots vom Vortag sofort. Vor mir in der Schlange stehen zwei schwedische Seniorinnen, vor denen ich mich sofort für diesen schlimmen Laden schäme. Also schnell die mutmaßlich am wenigsten schlimmen Sachen ausgewählt. Auf der Suche nach dem nicht vorhandenen Ortszentrum riecht es so sehr nach Regen und Gewitter, daß ich mich vorsichtshalber schonmal in einem Pavillon im Stadtpark postiere. Richtig so: Noch bevor ich das kleine Kuchenpaket ausgepackt habe, setzt ein fetter Gewitterschauer ein und ich kann mir von meinem trockenen Platz aus das Schauspiel ansehen. Bien fait, Monsieur!

Der Rest von Klingenthal zieht sich an der Bundesstraße enlang und ist im Wesentlichen einfach nur bitter. Überall leerstehende Häuser, überall Wohnungen zu vermieten oder zu verkaufen. Viele Läden stehen leer. Der Ort scheint auszubluten, wie so viele Orte an so vielen Grenzen in Europa. Früher muß der Bogen hier mal richtig gefiedelt haben, an allen Ecken und Enden finden sich ältere Gewerbebauten aus Backstein, die in Berlin als Loftwohnungen wahrscheinlich reißenden Absatz finden würden. Hier? Nicht.

Auf dem Weg raus aus dem Tal verlaufe ich mich mit Ansage: Schon beim Abbiegen habe ich das Gefühl, daß das nicht die richtige Kreuzung war, bin aber trotzdem mal wieder zu stolz oder zu faul, wieder umzukehren. Irgendwie findet sich aber doch wieder ein Weg quer durch den Wald bis hoch zum Kamm. Die letzten Kilometer sind dann nur noch bretteben und geradeaus, bis ich gleich hinter dem Paß vor meinem Hotel stehe. Der Gasthof nebenan wirbt mit einer verzweifelten Werbetafel um Kunden, aber anscheinend sind da die Lichter aus.

Ich bin froh, angekommen zu sein, ich hatte einen ziemlich lustlosen Tag. Gott sei Dank war es nur eine kurze Etappe und ich freue mich tierisch auf den anstehenden Pausentag morgen. Im Hotel schaue ich mir erstmal - was sonst nicht meine Art ist - diverse Zimmer in diversen Kategorien an und entscheide mich am Ende doch für die günstigste Variante. Im Wellnessbereich ist kein Mensch und beende ich den Tag würdig im Whirlpool, alleine und mit Aussicht.

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