Sonntag, 15. Juli 2012

Windige Touristenfalle: Seiffen.

Samstag, 14.07.2012
Pobershau nach Seiffen
6,5 h / 26 km

Och nee...! Zum Aufwachen die eindeutigen Geräusche von prasselndem Regen draußen. Und zwar ordentlich. Gibt eine härtere Guten-Morgen-Faust ins Gesicht? Mann, ey... Beim Frühstück setze ich mich mißmutig an den Tisch, der dem Buffet am nächsten steht, damit ich wenigstens nicht so weit laufen muß. Und siehe da: Meine Laune bessert sich schnell. Es gibt Kirschen und lecker Joghurt zum Müsli, die Wurstplatte ist die fleischgewordene Opulenz, die Teeauswahl ist super. Und als ich später loslaufe, scheint wieder die Sonne.

Also raus, das Tal entlang, den ersten Wochenend-Mountainbikern ausweichen, die ersten Bremsen erschlagen, die sich über die Sonne auf den nassen Wiesen freuen. Ich freue mich über den schönen Weg raus aus dem Tal. Hier ist schon lange niemand mehr gelaufen, der Regen von vorhin glitzert auf dem Gras und dem Unterholz und ich laufe staunend durch den steilen Wald. Eine Buche liegt umgekippt neben dem Weg, trägt aber noch grüne Blätter. Aber sie ist nicht erst kürzlich umgefallen -- die Äste wachsen vom umgefallenen Stamm wieder nach oben, der Baum lebt noch. Auf dem hochgeklappten Wurzelteller wachsen schon die ersten Tannenzweiglinge. 

Oben auf der Höhe angekommen, biege ich gleich wieder in den Wald ab und steige runter ins nächste Tal. Das Rungstockbachtal wird mich die nächsten Kilometer entspannt bis nach Olbernhau begleiten. Bei einem Rastpilz haben sich anscheinend die Forstazubis ausgetobt und haben einen Baumstumpf in eine Eichhörnchenskulptur verwandelt. Nicht so geil wie das Nilpferd, aber immerhin. Das Tal wird immer schmaler, der Weg immer wilder. Die Wolken über dem Tal ziehen so schnell, daß im Sekundentakt die tanzenden Lichtflecken auf dem Boden an- und wieder ausgeknipst werden. 

Olbernhau schenke ich mir heute mal, mir steht heute nicht der Sinn nach Einkaufen. Es gibt außerdem einen schönen Weg außenrum, vorbei an den schönsten Sehenswürdigkeiten von Olbernhaus (in diesem Fall: der Gasverdichterstation samt Feuerlöschteich und dem Freilichtmuseum Saigerhütte, wo ich falsch abbiege und fast in die nächste Zollkontrolle gerate. Aber ich will heute gar nicht nach Tschechien rüber, sondern entere oben auf dem Feld eine schöne Bank mit Aussicht, genieße die Sonne und den Wind und futtere glücklich und unter lautem Oh und Ah die Tomaten aus meinem Rucksack.

Oben in Seiffen wird der große Tourismusalptraum wahr. Weihnachtshaus, Adventshaus, Streichholzschächtelchenhaus, Spielzeughaus, Erzgebirgeerzgebirgeerzgebirge. Spielzeugdorf Seiffen, aber wovon leben die Leute hier? Es gibt nur einen müden Bäcker mit mächtig öder Auswahl, davor Rentner. Blöderweise weckt das müde Bäckereiangebot jetzt doch meine Lust auf Picknick. Fleischerei? Fehlanzeige. Getränkemarkt. Geschlossen.

Ich kaufe mir aus Verzweiflung einen Mohnplunder, laufe weiter bergauf und suche schonmal nach einem trockenen Plätzchen, denn der Himmel sieht schon wieder böse aus. Die oben abgebildete Treppe ziehe ich schwer in die engere Wahl, allein schon aus Murksgründen. Aber mich mitten in Seiffen zwischen diesen Touristenmassen hinzusetzen, reizt mich so gar nicht. Also Hufe unter die Arme, Strecke machen, außerhalb des Dorfes gibt es bestimmt was. Denke ich. Gibt es aber nicht. Also laufe ich die letzte Stunde mit meinem Mohnplunder in der Hand bis rauf auf den Kamm, schaue mir noch die Wolken an, die vielleicht doch an mir vorbeiziehen wollen und erreiche im strammen Wind meinen Landgasthof. Die Geburtstagsgesellschaft im Gastraum dreht sich mahnend um, als zusammen mit mir ein scharfer Windstoß hereinkommt.



Als ich später zum Essen runterkomme, guckt die Bedienung panisch. Die Geburtstagsgesellschaft sitzt immer noch da, der Nebenraum ist mit den anderen futternden Abendessensgästen voll und die drei freien Tische sind reserviert -- für die Feuerwehrkapelle. die bald kommen wird. Ach du Scheiße. Ich verzichte auf die Vorspeise und esse nur ein paar schnelle Pfifferlinge und tatsächlich -- ich bin fast fertig, als ca. 15 Musiker reinmarschiert kommen und sich neben meinem Tisch aufbauen. Dann geht's uumpa-uuffta los, die Ehrenformation der höheren Feuerwehroffiziere kommt jetzt auch reinmarschiert und ich nutze die Pause zwischen zwei Bierzeltkrachern, um mich auf mein Zimmer zu schleichen. Die Kapelle höre ich noch bis spät am Abend immer mal wieder, zwischendurch ist anscheinend genug Gelegenheit für Schnaps, denn als sich die Herren gegen Mitternacht vor meinem Zimmerfenster in zwei Kleinbusse verladen, stehen die wenigsten noch gerade. Ein Prosit der Gemütlichkeit. Oder auch: Prooost, prooost, proooost -- löschen!

1 Kommentar:

  1. Hallo Kilian! Komme gerade aus den Alpen zurück. Danke für die Post! Viel Spaß noch... Bob

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