Sonntag, 1. April 2012

Have a break. Have a KitKat.

Sonntag, 01.04.2012
Gimont nach Maubec
5,5h / 25 km

Der Morgen beginnt eigentlich ganz gut. Keine Sonne. 15°. Wolkig und neblig. Genau mein Wanderwetter. Nachdem ich gestern Abend den Rücksack nochmal entmüllt habe, bin ich mir beim Packen fast sicher, daß ich irgendwas vergessen habe. So leicht hat sich das Ding auf meinem Rücken schon lange nicht mehr angefühlt. Nachdem Carrefour dankenswerterweise auch am Sonntagvormittag offen hat, kaufe ich noch ein paar obligatorische Kleinigkeiten: Möhren, KitKat und ne Flasche Cola (herrlich: hier gibt es die Coke Lime, die ich in Deutschland nicht mehr gefunden habe!). Mehr gönne ich mir nicht, ich will mir das luftige Gefühl auf dem Rücken nicht verderben.

Aus Gimont raus, immer nach Norden. Um den linken kleinen Zeh zu schonen, gehe ich heute konsequent und todesmutig auf der rechten Straßenseite. Und es hilft. Nach einer Stunde zuckt er nochmal, den Rest des Tages aber ist Ruhe. Um es vorwegzunehmen: Als ich am Abend die Pflaster- und Polsterung entferne, sieht alles viel besser aus als erwartet. Es ist zwar eine Dreifachblase auf einer Grundblase obendrauf (jaja, ich hör schon auf), aber wenigstens ist das Scheiß-Hightech-Blasenpflaster weg und das Ganze ist eher besser als schlechter geworden. Jetzt noch ein bißchen Luft und Sonne drangelassen, das wird schon wieder.

Mit den Kilometern in der langweiligen Tallandschaft sinkt die Moral. Immer entlang des Flusses (von dem ich nichts sehe), vorbei an Bauernhöfen (die mich nicht interessieren), durch Neubaudörfer (die mich nicht reizen). Im Geiste formuliere ich schon das bittere Fazit des Tages, um es später aufzuschreiben. "Freudloser Tag. Transitetappe. Strecke machen." Mein Wunschziel war das heute nicht -- eigentlich wollte ich nach Cologne, schon allein des Namens wegen. Aber von den 2 möglichen Unterkünften in dieser 300-Seelen-Metropole wollte eine nicht, und die andere ist zwei Tage lang nicht ans Telefon gegangen. Also umdenken, längere Strecke, Murks, Murks, Murks. Gegen Mittag setzt sich auch noch die Sonne durch, es wird nun doch wieder warm. Ich sehe mich danach, endlich mal wieder eine Stunde durch einen richtigen Wald zu laufen, hier sind Bäume anscheinend nur ein Zeichen für nutzlose Fläche. Sie bleiben stehen, wo es dem Bauern zu mühsam ist, das Feld zu bestellen: An den Steilhängen. An den Bachwindungen. Auf den Hügelkuppen. Liebloses Gehölz. Heute wieder nur Felder und Asphaltwege auf dem Menü.

Als ich mich zur Mittagspause unter drei Bäumen auf einer Feldzufahrt niederlasse, wendet sich das Blatt. Zwei KitKat zum Mittag, ein bißchen lesen, ein bißchen telefonieren und schon hat sich das Motivationstief eben mal um 180° gedreht. Lockerer Tag. Schlenderschritt. Nicht zu warm, Wind passt auch. Den ersten Grillgeruch des Frühlings gerochen. Ganz andere Straßenmöblierung als sonst: Familien auf Fahrrädern, Rentner im Peugeot 205 auf Sonntagsfahrt mit 20 km/h, Motorradfahrer. Ich erweitere meine persönliche Weisheit "Wenn nichts mehr hilft, weiterlaufen." um den kleinen Einschub: "Wenn nichts mehr hilft, erstmal ordentlich Pause machen, dann weiterlaufen."

Durch Sarrent, mit Brief und Siegel und Schild am Ortseingang als eines der schönsten Dörfer Frankreichs prämiert. Ich gehe die paar Straßen ab, denke mir noch "nette Kirche, nette Bäume, schickes Türmchen und nu?", da sehe ich ganz klein unten im Turm einen Durchgang mit Fallgitter. Dahinter: Historisches Gemäuer. Kleine Häuser, dicht aneinandergebaut, in der Mitte die Kirche. Ein Wehrdorf aus dem wasweißuichwievielten Jahrhundert, und herrlich anzusehen. Ich teile es mir mit ein paar streunenden Sonntagsausflüglern, mache Fotos und schlendere.


  


Die letzten Kilometer auf der Landstraße nach Solomiac, lockeres Gehen in der Sonne, hinten auf der nächsten Hügelkette winkt schon wieder das nächste mittelalterliche Dorf. Irgendwo da vorne rechts ist der Bauernhof, wo ein Zimmer und ein kleines Abendessen auf mich warten. Ich treffe auf eine Familie, die schonmal den Pool für den Sommer vorbereitet, beziehe ein herrliches Zimmer unter dem Dach einer ausgebauten Scheune und bin nach einer Dusche mit Ausblick auf die Felder wieder der glücklichste Wanderer der Welt.


Draußen spielen die Hunde, die kleine Tochter singt die französische Version von "Heidi" auf der Schaukel, ich sitze auf der Terrasse und schreibe mein Tagessoll, während ich meine Füße in die Abendsonne halte und alles ist genau so, wie es sein soll. Es ist nur so verdammt bitter, daß man in solch schönen Unterkünften immer nur eine Nacht verbringt, aber die gute Erinnerung an freundliche Leute in freundlichen Häusern nehme ich gerne mit. 

Mir egal, wie lang die Etappen der nächsten Tage sind und wie hart sie werden: Hier bin ich richtig. Und auf dem richtigen Weg.

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