Montag, 30. April 2012

Ein technischer Tag.

Sonntag, 29.04.2012
Montélimar nach Loriol-sur-Drôme
7 h / 29 km

Auch wenn der Himmel heute früh noch dramatisch aussieht: Kurz nach meinen niedergeschriebenen Klagen und Sorgen über das Wetter hört der Regen auf. Die Wolken hängen immer noch monströs aus, aber auch der Wetterbericht sagt tatsächlich Sonne voraus. 

Vorher nochmal voller Abscheu durch Montélimar. Der Intermarché hat sich einen Spaß erlaubt und einfach mal die gefühlte Standardsortierung umgeworfen. Brot nicht vorne rechts sondern Ende links. Getränke suche ich lange, sie sind versteckt hinter den Non-Food-Haushaltswaren. Anscheinend geht es nicht nur mir so, gefühlt irren alle Kunden orientierungslos durch den Laden. Was die Sache aber irgendwie auch schon wieder schick macht. Ein hoch auf die unterschwellige Psychologie der Supermarkteinrichtungen.

Die erstmögliche Bank zum Frühstücken lehne ich ab. Genau wie ich die Törtchen im Supermarkt abgelehnt habe. Die zweitmögliche Bank nehme ich und frühstücke wegen meines Joghurt@Rucksack-Traumas gleich den ganzen gekauften Joghurt weg. Beim Weg aus Montélimar passiere ich den ersten McDonalds seit 5 Wochen.

Es ist ein warmer Tag, aber der Wind pfeift sauber von Süden durch das Tal. Die ersten zwei Stunden kann ich die vier Kühltürme des Kernkraftwerks aus allen möglichen Richtungen betrachten, wird davon aber auch nicht schöner. Warum die klugen Franzosen allerdings ausgerechnet aus dem Bergrücken hinter dem Kraftwerk einen Steinbruch gemacht haben, werden sie sicherlich selber am besten wissen. Clever ist allerdings, daß sie gleich neben die Autobahn die erste Lavendelfeldkulisse gepflanzt haben, quasi als Einstimmung für alle niederländischen Touristen auf dem Weg in die Provence. Und ich kann alle beruhigen: Ich sehe endlich auch mal ein deutsches Touristenauto...

Alle meine Befürchtungen in puncto Verkehrswege werden wahr. Der Tag sah schon auf der Karte scheiße aus und die Wirklichkeit riecht auch nicht nach Rosen. Links die Rhône, daneben schön sortiert ein Feldweg, die D248, die Route Nationale 7 und die Autoroute 7. Obendrüber unzählige Hochspannungsleitungen, kreuz und quer. Eigentlich bin ich den ganzen Tag nur damit beschäftigt, einen Weg zwischen diesen Verkehrswegen hindurch zu finden. Augen zu und durch.

Vorbei am Wasserkraftwerk, das mit seiner Leere drumherum aussieht wie ein modernes Tschernobyl. Kernkraft vier Kilometer flußabwärts, riesiges Photovolatikfeld gibt es auch gleich da drüben, Windräder am anderen Flußufer. Toll. Da haben wir unseren Energiemix ja zusammen. Hoch auf den Deich in Erwartung von Flußromantik, schnell wieder runter, weil der Wind das Wasser, die Wellen und die Gischt schneller stromaufwärts peitscht als ich laufe. Über die dreispurige RN7, wenigstens nochmal mit einem letzten Blick auf den bemalten Kühlturm, dessen Farben auch schon am Verblassen sind. Durch abgekoppelte modernde Überflutungsgebiete hinter den Deichen, die niemand mehr braucht und die auf Knopfdruck weggeknipst werden. Durch Zäune sortierte Landschaft: Zäune an der Bahnstrecke. Zäune an der Autobahn. Zäune überall. Mein einziges Highlight auf vielen Kilometern entlang dieser technischen Landschaft ist der Jogger, den ich offensichtlich zu Tode erschrecke, als ich knapp vor ihm unvermittelt seinen Weg von links aus dem Niemandsland nach rechts ins Niemandsland kreuze. Er revanchiert sich 20 Minuten später damit, daß er plötzlich unter der Brücke links auftaucht, wofür er hätte eigentlich durch den Kanal schwimmen müssen.

Hinter Saulce wird es netter, kleine Asphaltsträßlein durch kleine Hügel. Aussichten auf die bewaldeten Hügel drüben im Department Ardèche.Die Orte halten Sonntagsruhe. Alles zu, nicht mal eine Kneipe oder ein Tabac-Laden hat offen, in dem ich mir was zu Trinken oder ein Eis ziehen könnte. Kein Mensch zeigt sich auf der Straße, viel zu windig und ungemütlich. Ich finde den Wind gut, denn ich bin mir sicher, daß er es ist, der heute verhindert, daß es noch weiter geregnet hat. Schleierhaft bleibt allerdings, wo das ganze Wasser der letzten Nacht hin ist. Alle Bäche und Flüsse sind ausgetrocknet und modern nur leicht wabernd vor sich hin.

Ich lande in einem Hochsicherheitshotel mit geschlossenem Tor, das sich erst nach Anmeldung an der Gegensprechanlage ferngesteuert öffnet. Lächerlich. Ich verzichte geizig aufs Abendessen und freue mich auf morgen, wenn ich von der Rhône wegkann.

3 Kommentare:

  1. Monsieur Müller30. April 2012 um 18:21

    Geil! Wie ich sehe, hast Du Highlight des Rhône-Tals entdeckt: Die wunderbaren Wandbemalungen der Atomkraftwerke (1. Kühlturm von rechts). War es das mit den spielenden Kindern?

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  2. ombrage zweifelt, zweifelt ob er lust auf kraftwerksbesichtigunfen hat. ich hoffe du moebelst due landschaft noch auf...

    und ich weiss auch fast schon welche brueckenseite ich nehme...

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  3. Kinder auf Kühltürmen... Mir ist es ein Rätsel, was die Kollegen da geritten hat. Was hab ich im Netz drüber gelesen? Das Kind baut irgendwas aus Glas und Licht und Murks und überhaupt. Schön finde ich allerdings, daß sie nur einen Kühlturm bemalt haben. Die Nordseite des nördlichsten Turmes. Wenn also der Präsident oder sonstwas aus Paris auf der Autobahn in die Provinz fährt, sieht er das Bild von Weitem.

    Vive la Zentralismus.

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