Freitag, 4. Mai 2012

Wir brauchen eindeutig mehr Wasser!


Donnerstag, 03.05.2012
Romans-sur-Isère nach Hauterives
9 h / 35 km

Kaiserwetter. Das billige Innenstadthotel entläßt uns in einen viel zu sonnigen Tag. Mit Sonnencremefahne raus aus der Kleinstadt, erstmal ewig durch Industriegebiete. Von einem hochmotivierten Rentner sacke ich einen Francois Hollande-Flyer ein, obwohl der Kollege die Gelegenheit zu einem Plausch nutzen will.

Eine Stunde weiter besichtigen Monsieur L'Ombrage und ich das chloß, in dem wir gestern Abend NICHT übernachtet haben. Eigentlich sind es eher eine Ansammlung von Gesindehäusern und Nebengebäuden, die Erwartungshaltung "Schloß" wird nicht erfüllt. Dahinter die erste spannende Bachüberquerung mit wunderbar vorgefertigen Trittstufen aus Holz. Mit Anti-Rutsch-Noppen. Da hat sich aber mal jemand richtig Mühe gegeben.

Hinter dem Haselnußwald gibt es nicht nur Aussicht, sondern auch - wie gerufen - einen querliegenden Baumstamm am Wegesrand, der uns wider Erwarten auch trägt. Schatten, Aussicht, ordentliche Sitzhöhe -- da muß ich auch nicht lange zur Pause überredet werden. Wir gönnen uns die gute salzige Salami aus dem Spar, Baguette und Orangina.

Zwei Stunden später schenken wir uns unbegreiflicherweise die nähere Begutachtung des leerstehenden Châteaus, das da die letzte Stunde immer schon so schön am Hang aus den Bäumen herausschaute. Das Tor war offen und eine der Eingangstüren fehlte irgendwie auch schon. Der Rest des Tages vergeht mit weiteren Immobilien-Kurzbeurteilungen, Aussicht auf schneebedeckte Berge und Pausen.

Als wir am Ende des Kammweges wieder auf die Straße treffen, verlangt Monsieur L'Ombrage von mir endlich mal eine genaue Aussage über die heute bisher absolvierten und der noch zu wuppenden Kilometer. Mist, denke ich mir leise, ich habe eigentlich keine Ahnung... Mein Bauchgefühl hatte sowas wie 28 Kilometer für heute gepeilt, aber irgendwie liege ich da wohl etwas daneben. Und Zuhilfenahme von hochtechnisiertem Gerät muß ich mehrmals aus vier verschiedenen Wanderkarten Kilometer ausmessen und mich auch noch der Kontrollmessung von Monsieur L'Ombrage stellen. Der Tiefpunkt kommt kurze Zeit später, als uns das Straßenschild noch 10 Kilometer bis Hauterives ankündigt. Ob ich Monsieur zu diesem Zeitpunkt schon gesteckt hatte, daß unsere Unterkunft erst noch hinter dem Ort kommt, weiß ich nicht mehr genau.

Die Wasserflaschen sind bei diesem Wetter mal wieder viel zu schnell leer, das Tagesmotto lautet ab sofort: "Wir brauchen mehr Wasser!" Gott sei Dank kann ich noch zwei Dosen Belohnungscola aus dem Rucksack zaubern, als wir beim letzten Anstieg vor Hauterives ein mittleres Motivationstief durchmachen. In Hauterives erwischen wir mit trockenen Kehlen die letzte Einkaufsminute bei bereits geschlossenen Rolltoren des örtlichen Dorfsupermarktes, rasen durch die Regalreihen und raffen Getränke, Dosenbier, Käse usw. zusammen, bevor wir am Ende doch entspannt schwatzend mit den Kassiererinnen ihren Feierabend einläuten.

Die letzte halbe Stunde geht es zur allgemeinen Verzweiflung nochmal bergauf, oben in den Hügeln über Hauterives versteckt sich ein einsames weißes Haus mit blaßblauen Fensterläden, wo zwei Zimmer und zwei Abendessen auf uns warten. Auf der Bank davor schauen wir uns nach dem Essen im letzten Dämmerlicht noch ein bißchen die drei Fledermäuse an, die ihren Runden drehen, quälen uns das Dosenbier rein, für das wir vorhin kleine Kätzchen getötet hätten, das jetzt aber nur noch lustlos weg muß, damit wir es morgen nicht wieder schleppen müssen...


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