Dienstag, 3. April 2012

Abschied von den Hügeln. Vorläufig.

Montag, 02.04.2012
Maubec nach Savenès
7h / 34 km

In der Nacht höre ich keinen Mucks. Es ist so still, daß ich nicht schlafen kann. Ich bin der einzige Gast, also habe ich die ganze Scheune für mich, kein Straßenlärm, keine Tiere, nix. Erst als der Wind auffrischt, kann ich beruhigt einschlafen.

Das Frühstück ist genauso herrlich wie das Abendessen (bei dem mich die Familie dankenswerterweise alleine gelassen hat -- ist zwar irgendwie schön, in Gesellschaft zu essen, aber gestern Abend wollte ich lieber meine Ruhe). Selbstgemachte Marmeladen. Drei verschiedene Honigsorten. Ordentlicher Orangensaft. Draußen wieder kühles nebliges Wetter, der Wetterbericht hat für die nächsten Tage Regenwetter angesagt, die Bauern warten bestimmt schon sehnsüchtig darauf.

Gleich nach dem Anstieg hoch ins Dorf laufe ich wieder durch einen feuchten Landschaftsmalertraum. Maubec ist ein winziges Dorf, aber so schön verfallen, daß ich wirklich jede Gasse ablaufen muß, bevor ich mich trennen kann.




Weiter auf Hügelkämmen nach Brignemont. Es geht sich leicht in der Kühle, im Wind. Schon auf Kilometer sieht man die Kirche von Brignemont dumpf durch den Nebel. Menschen sehe ich keine. 

In den Gärten warten Hunde darauf, daß jemand von der Arbeit nach Hause kommt. Ein paar Kilometer weiter ackert Traktoren und düngen frisch gekeimte Felder. Und ab und zu überholt mich dann doch die Bauersfrau mit Affenzahn in ihrem alten Citroen-Kastenwagen.

Brignemont hat eine nette Kirche und eine schicke alte Windmühle, ich will das Dorf schon abschreiben als ich ein paar hundert Meter weiter auf ein Meisterstück der Tiefbaukunst treffe. Einen Kreisverkehr. Davon gibt es in Frankreich zwar viele, aber so sinnlos wie dieser hier sind bestimmt wenige. Hier treffen 4 namenlose Bauernsträßlein aufeinander, und damit das mit dem Abbiegen schneller geht, haben manche Richtungen sogar eine Abkürzungsspur, damit man beim Rechtsabbiegen nicht einmal um den ganzen Kreis herum muß. Während ich da stehe und spotte, kommt natürlich kein einziges Auto, um meine These zu bestätigen, daß alle Autofahrer über dieses Bauwerk genauso herzlich lachen wie ich.


Bis zum Mittag hat sich wieder die Sonne durch den Nebel geschraubt und es wird warm. Unter einigen Kiefern am Straßenrand riecht es nach heißen Sand, wie im Wald an der Ostsee, kurz bevor man den Strand sehen kann.

In Beaupuy stehe ich plötzlich auf dem letzten Hügel für lange Zeit: vor mir liegt das Tal und die Ebene der Garonne. Meilenweit flaches Land, überall Felder, jeder Flecken wird genutzt. Beim Abstieg merke ich, daß ich eigentlich schon viel zu lange unterwegs bin und noch nicht mal richtig Mittagspause gemacht habe. Am Wegkreuz unterhalb des Dorfes reicht es wenigstens für eine kleine Rast, ein paar schnelle Schlucke Wasser und ein paar frisch geschnürte Stiefel. Unten an der Hauptstraße wieder die bittere Entscheidung: Kleine Wege nehmen, auf die Gefahr hin, daß sie nicht funktionieren oder lieber gleich Hauptstraße? Ein Blick auf die Uhr entscheidet für mich, die nächsten 5 Kilometer ziehe ich die schnurgerade D6 entlang, immer geradeaus, kein Grad Abweichung. Die Autos sehen mich schon von weitem, es gibt einen Seitenstreifen und bis auf die monotone Leere in meinem Kopf und das Gefühl von "Reicht!" in den Füßen ist eigentlich alles gut.

Ich komme in einem auf den ersten Blick sehr unfranzösischen Haus an. Ehemaliges Bauernhaus, alleine auf dem Feld. In der Scheune allerdings ein Range Rover. Eine Australienflagge weht statt der obligatorischen Frankreichflagge über dem Europabanner. Und mein Glück mit den "Chambres d'hôtes" kennt wieder eine Steigerung. Freundliche Menschen, ein kaltes Bier auf dem Tisch, lockere Gespräche auf der Veranda. Ein Zimmer unter dem Dach, ein riesiges Bett mit einer richtigen Bettdecke (und nicht diesem französisch-amerikanischen Wolldecke-Laken-unter-die-Matratze-Murks), Holzfußboden im Bad, einem guten Abendessen zu viert mit viel Wein und politischen Rissen quer durch den Eßtisch. Die Lockerheit, mit der alle Beteiligten zwischen französisch und englisch und wieder zurück wechseln, ist sehr entspannend. Viel zu spät falle ich ins Bett und bin glücklich.

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