Donnerstag, 29. März 2012

Wasserschlösser und andere Irrtümer.

Dienstag, 28.03.2012
Marciac - Petit Haget (Montesquiou)
6h / 26 km

Marciac am Morgen. Damit der Tag gut losgeht, ärgere ich mich über ein vollkommen überteuertes Frühstück für 9 EUR, das ich wahrscheinlich in jedem Café hier am Marktplatz günstiger und schöner bekommen hätte.

Wieder warm, wieder keine Wolke am Himmel zu sehen.Sofort auf der ersten Hügelkette hinter Marciac gibt es wieder Aussicht über noch mehr Hügel, noch mehr Täler, noch mehr zu verkaufende Häuser (gefühlt jedes dritte...). Und wieder stille kleine Bauernstraßen auf dem Hügelkamm entlang, nur alle halbe Stunde braust die Bäuerin mit ihrem Citroen Jumpy oder Peugeot 205 vorbei. Hier komme ich an einer wohlgemeinten Picknick-Einladung vorbei, die liebreizende Menschen aufgebaut haben. Wobei ich mir nicht sicher bin, was das "gratis" bedeuten soll: Kannste hier gratis dein mitgebrachtes Picknick auspacken, quasi Sitzgelegenheit powered by Bauernhof nebenan oder stehen hier im Sommer - Achtung, Tagträume - kühles Orangina und hausgemachte Spezialitäten für den hungrigen Wanderer parat, die man sich gratis einverleiben darf? Ich hör schon wieder auf...

Auf der nächsten kleinen Bauernhofstraße kommt mir ein bergab ein Auto entgegen, hält an -- ich rechne schon wieder mit Diskussionsbedarf ob irgendwelcher obskuren Eigentumsverhältnisse -- aber der Fahrer will plaudern. Ob ich den Jakobsweg mache? Ich erkläre ein bißchen und kann förmlich dabei zuschauen, wie dem Fahrer die Courage flöten geht: "Einen Wanderer am Wegesrand vollquatschen, vielleicht, aber der Typ kann ja noch nicht mal richtig französisch. Warum hab ich denn überhaupt angehalten..?" Schneller als erwartet zieht der Kollege dann doch wieder von dannen und ich muß zum Abschied grinsen. Er hat wenigstens ein waschechtes "Auf Wiedersehen" zustande gebracht...

Meine Wanderkarte verzeichnet ab und zu auf den Hügeln ein "château d'eau" (zu deutsch Wasserschloß; die Dinger waren mir schon in der Nähe von Tarbes auf der Karte aufgefallen, ich hatte sie nur nie gesehen). Nachdem der ganze Tag eigentlich ständig "Hügel runter, Hügel wieder rauf" heißt, versüße ich mir die Aufstiege mit der Vorfreude auf die Wasserschlösser, an denen ich dann aber entweder unbemerkt vorbeiziehe oder die meinen Erwartungen in puncto Schloßmerkmalen doch nicht ganz gerecht werden. Kurz vor Puylebon fällt endlich auch bei Herrn Grauel der Groschen. Beim Anblick dieses château d'eau (siehe unten) komme ich endlich drauf, daß mir meine Romantikerwartungshaltung einen totalen Streich gespielt hat. Ein château d'eau ist mitnichten ein Wasserschloß, sondern ein Wasserturm. Ein technisches Zweckbauwerk für die kommunale Wasserversorgung. Der Tourist in mir wollte nur einfach wieder an jeder Ecke alte französische Schlösser sehen. Auf Biegen und Brechen!


Jetzt machen auch meine leisen Zweifel vom Vormittag irgendwie Sinn, nach denen ich ein Wasserschloß eher unten in der Ebene vermuten würde. Sollte man die Wassermassen für die Gräben und Teiche im 18. Jahrhundert ernsthaft nach oben auf dieHügelspitzen befördert haben und vor allem - wie? Aber wer nur zur Hälfte denkt, kriegt auch keinen Preis.

Ich genieße die letzten Aussichten des Tages, treffe überraschend eine Schlange im Straßengraben, die sich genauso schwer erschreckt wie ich. Wenigstens weiß ich jetzt, daß mir die Evolution einen Schockreflex mitgegeben hat. Als sich das Ding neben mir im Graben aufrichtet, merke ich einen heftigen Adrenalinschub und jede Bewegung friert ein. Erst zwei Sekunden später tickt die Uhr wieder, aber als ich nach er Kamera fummele, ist das Baby natürlich schon längst in seinem Rohr-Unterschlupf verschwunden. Leider bin ich ein totaler Loser im Schlangenbestimmen, selbst mit der Google-Bildersuche bin ich nicht so richtig sicher, was das denn nun war. Anyway. Ich gucke jetzt öfter in den Straßengraben als bisher.

Vorbei an dem schicken Schloßhotel (ja, echtes Schloß), für das ich zu geizig war, ziehe ich runter ins letzte Tal vor Montesquiou zur "Ferme des grisettes" (Bauernhof der Graugänse), wo Abendessen und Bett und ein Pausentag auf mich warten. Meine Gastgeber - und ich bin von den Chambres d'hôtes wieder nicht enttäuscht worden - sind von der aufgeschlossenen Sorte und alles wird gut. Die erste Frage von Mme Brazzalotto bei meiner Ankunft ist, ob ich ein kaltes Bier möchte. Ich möchte und ich könnte sie dafür umarmen. Und es bleibt gut: Zum Abendessen gibt es

Potage (Richtung Kartoffelsupppe)
Pilz-Quiche
Salat mit warmem Gänsefleisch (vom eigenen Hof)
Grießbrei

Auf den ersten Salat seit über 2 Wochen gehe ich dann doch ein bißchen ab. Über allem schwebt aber die Aussicht auf eine Waschmaschine für meine Klamotten morgen früh. Bebend vor Vorfreude schlafe ich ein, während draußen die Gänse noch ein bißchen im Dunkeln zetern.

4 Kommentare:

  1. Oje, mir ist beim Lesen auch ganz anders geworden: Die Schlange hat sich aufgerichtet?! Was die wohl ueber Dich gedacht hat, da am Strassenrand...

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  2. Ich bin mir sicher es war eine Königskobra und deine Angst aka Schockrefelex war dementsprechend berechtigt!

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  3. Wie sah das Tierchen denn nun genau aus ? War sie schwarz, dann war's *TOD*sicher die schwarze Mamba, die - was erstaunlich wenig bekannt ist - gerade in Südfrankreich ihr schändliches Unwesen treibt und insbesondere einsame Wanderer mit ihrem strammen, gut durchbluteten Muskelfleisch bevorzugt (aus dem gleichen Grund aus dem wir argentinisches Rindfleisch gegenüber den Fleischmonstern aus dem Stall bevorzugen). Der Jakobsweg und sein Einzugsgebiet ist für die schwarze Mamba gewissermaßen das Paradies, welches der Fluss mit der Lachswanderung für den Alaska-Zodiac ist.

    Hatte sie aber Füße, dann war's wohl eher ein Molch - im Grunde weniger bedrohlich, auch wenn es da seltene blutsaugende und anderweitig meuchelnde Unterarten gibt. Die sind aber eher in der Schweiz und Süddeutschland zu finden, also vorerst Entwarnung für Dich.

    Daher: Augen auf bei der Wahl des Siesta-Plätzchens !

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  4. Wahrscheinlich hat meine Unfähigkeit, das Vieh zu bestimmen, damit zu tun, daß das recht schnell ging. Schlangi hatte gerade mal 1,5m bis zu ihrem Unterschlupf zu bewältigen, bis dahin konnte ich eine dunkelgraue Schlange mit wenig Zeichnung (nur leichten grün-gelben Schuppenschattierungen) beobachten, die sich ca. 1/2 m aufrichtete und dann panisch floh. Was sich ein bißchen seltsam anhörte, weil Fliehen und panisches Aufrichten gleichzeitig dazu führte, daß sie immer wieder plopp-plopp-plopp halb zurück in den Graben fiel. Wie gesagt - meine Google-Recherche blieb ohne weitere Erkenntnis... Immerhin weiß ich jetzt, daß man giftige und ungiftige Schlangen schonmal grob nach der Augenform unterscheiden kann. Für's nächste Mal...

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