Freitag, 23. März 2012

Berge! Berge! Endlich Berge!

Freitag, 23.03.2012
Arros-de-Nay nach Livron
5,5 h / 24 km

Alles Weh und Ach ist über Nacht weggeflogen. Die Wolken auch, und parallel zum herrlichen Frühstück präsentieren sich die Pyräneen durch die Wohnzimmerfenster in ihrer schönsten Pracht. Jetzt sieht man endlich mehr als nur die ersten Berghänge, die dazu noch oben von den Wolken abgeschnitten waren.

3.000er, schneeweiß und von der Sonne angestrahlt. Das ist so ziemlich den ganzen Tag meine optische Begleitung und ich kann und kann den Blick nicht davon losreißen. Irgendwie schaffen es die weißen Bergspitzen auch fast auf jedes Foto, das ich heute mache.

Kurz vor Nay fährt mein Gastgeber Monsieur Gill nochmal mit dem Auto an mir vorbei und fragt, ob alles ok wäre. Ich winke fröhlich ab: Es könnte kaum besser gehen. In Nay kaufe ich mir wieder ein schönes Picknick zusammen, das ungute Rucksackgefühl nehme ich diesmal mit Gelassenheit hin. Durch flache Felder im Flußtal der Gavre ziehe ich meine rechtwinkligen Wege, begleitet von Landstraßen oder einem der vielen Bauern, die jetzt fleißig ihre Felder pflügen. Keine Hügel mehr. Kaum noch Stacheldraht. Bestens!

Einige Kilometer weiter in Beuste rückt sich mein europäisches Weltbild wieder zurecht. Nicht ganz Frankreich wohnt in herrlichen alten Steinhäusern aus wasweißich für einem Jahrhundert. Nö - Beuste hat sich mal ganz großflächig mit Neubaugebieten eingedeckt und die sehen nicht weniger häßlich aus als deutsche Neubaugebiete. Ich erkenne sogar einige Utensilien aus dem altbekannten Baumarkt-Inventar wieder (z.B. einige Außenleuchten), die man genauso irgendwo in Deutschland finden würde. Und auch hier: Zu nah am Nachbarn gebaut, Jalousien runter, Garten machen wir später. Doch soviel ich auch schaue, meine Lieblingshausnummern finde ich nicht. Neue Bingoeinträge sind also noch lange nicht in Sicht und ich befürchte, das wird bis Deutschland auch noch so bleiben.

Im Bois du Beuste wandere ich zum ersten Mal seit Tagen durch ein halbwegs geschlossenes Waldgebiet, bei einer kleinen Rast am Rand schaue ich wieder den Eidechsen zu, die durch das alte Laub rudern. Zum Baguette mit Frischkäse gibt es frisch gepflückten wilden Schnittlauch, den ich kurz vorher am Wegesrand entdeckt hatte.

Die letzten 1,5h bis Livron durch das nächste sanft gewellte Flußtal, ausgestattet mit pflügenden Bauern, Dorfkirchen und freundlich-neugierigen Dorfhunden. Meine Unterkunft ist wieder ein schönes altes Haus im Dorfkern: linkes Fenster Garten, mittleres Fenster Garten, man hört den nahen Kindergarten krähen und als ich nach dem Duschen kurz auf dem Bett einschlafe, weckt mich eine Meise, die sich in mein Zimmer verirrt hab.

(Ich frage mich übrigens, wo hier eigentlich seit Tagen der spannende Moment bleibt? Der geneigte Leser wünscht sich doch sicherlich Action, Dramatik, Spannung und diverse Tief- sowie Höhepunkte, statt ständig nur feststellen zu müssen, daß es mir super geht. Ich könnte noch nicht mal mit Schockerfotos von irgendwelchen schlimm offenen Füßen aufwarten, denn da jibbet nüscht. Vielleicht muß ich die nächsten Tage nochmal das Tempo anziehen, um mich wieder mehr zu quälen. Soll ja spannend bleiben...)

Morgen nach Tarbes, ins nächste Vertreterhotel. Großstadt. 50.000 Einwohner. Vielleicht bringt mich das wieder in Stimmung...

4 Kommentare:

  1. Monsieur Müller23. März 2012 um 18:48

    Schockerfotos! Dann kommentieren wir auch wieder.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Monsieur Müller23. März 2012 um 18:51

      Ach, aber bitte nicht von Deinen Füßen.

      Löschen
  2. Die geneigte Leserin hier genießt den Weg mit Dir, den unspektakulären. Kann mir nicht vorstellen, dass Du mit dickem Rucksack auf dem Rücken wanderst, während ich hier mein Stadtleben führe. Aber Stadtleben gibt's ja für Dich auch morgen. Muß es denn ein Vertreterhotel sein?!
    Schönes Wochenende!

    AntwortenLöschen
  3. Hab mir übrigens Arros-de-Nay gerade mal in Google Maps angeschaut. Bin mit dem Streetview-Männchen durch die kleinen Sträßchen gewandelt. Auch in Google fast menschenleer; sieht aber nett aus.

    AntwortenLöschen