Dienstag, 13. März 2012

Prolog: "C'est ne pas la saison..."

Montag, 12.03.2012
San Sebastian (Flughafen) - Hendaye (Plage)
2 h / 8 km
 
Irgendwie ging dann doch alles plötzlich ganz schnell. Ein Jahr Vorfreude auf den Start dieser Wanderung ist in den letzten Tagen total untergegangen, erdrückt von "was ich vorher noch unbedingt erledigen muß" und "hab ich eigentlich an XY gedacht?". Auch Montagmorgen war so: Wecker um 0500, zackzack duschen, letzte Sachen zusammenräumen, Strom und Wasser abstellen, pünktlich losfahren. Einchecken am Flughafen und die Reise bis San Sebastian in der typischen Funktionier-Mentalität: Getränk im Flugzeug entgegennehmen, brav festhalten, als der Sitznachbar die Zeitung umblättern, mit einem aufgesetzten Lächeln den Müll an die Stewardess zurückgeben. 

Erst als in San Sebastian mein Rucksack auf dem Gepäckband erscheint und ich ihn mir auf den Rücken schwinge, ist alles gut. In dem Moment fällt mir auf, daß ich den fertig gepackten Rucksack zuhause nur mal hochgehoben, aber nie auf den Rücken genommen habe. Ich packe schnell ein paar Sachen um und ziehe mir andere Klamotten an und bin raus aus dem Flughafen. Quer durch das Avis-Parkdeck, über die Hauptstraße und sofort erinnern sich meine Füße daran, welchen Takt sie immer gehen.

Nach einer knappen Stunde entlang irgendwelcher Schnellstraßen, Kreisverkehre und Schnellstraßenbrücken sehe ich in Irun, kurz vor der französischen Grenze, gleich zwei Klischees abgehakt: Mann mit Baguette unter dem Arm, Mann mit Baskenmütze. Die Brücke rüber nach Frankreich passiere ich als einziger Fußgänger weit und breit, die Polizisten der umständlich mit Polizeiautos und Blaulicht aufgebauten Spontan-Grenzkontrolle würdigen mich keines Blickes. Gut gemacht, Kollegen.

In Hendaye hört das Schwimmen gegen den Schnellstraßenstrom, ohne Gehwege und immer mit dem Dröhnen der LKWs hinter mir schlagartig auf. Schmale Gassen, ein kleiner Marktplatz, ein Park, eine Gruppe Kinder in der Segelschule, scherzende Rentner und Ebbe in der Baie de Chingoudy machen Hendaye zu einem schlafenden Urlaubsort, dem mal so gar nicht nach Saison ist. Die Straßen hinter der Hauptstraße sind leer, die Läden geschlossen, über allem liegt eine zufriedene Ruhe, die nochmal die Zeit auskostet, bis die Touristen wiederkommen. Nur an der Strandpromenade wird wie blöd gebaut, um noch rechtzeitig fertig zu werden.

Mein Hotel ist ein Schatz. Kleines weißes Haus, das sich für die Kontrastfarbe blau entschieden hat. Zur Wahl standen gemäß der regionalen Tradition auch noch rot oder grün, aber blau sollte es sein. Außen ganz traditionell, hat die Wirtin dieser - nennen wir es schwer gehobenen - Pension innen alles umgemodelt und hell-/dunkelgraue Zimmer eingerichtet. Mir egal, ich freue mich auf ein extrabreites Bett und schlafe erstmal glücklich meine Kopfschmerzen weg.

Am späten Nachmittag wird mir klar, daß ich den ganzen Tag außer den Erdnüssen im Flugzeug noch nix gegessen habe. Mein Streifzug durch Hendaye verfestigt den ersten Eindruck des geschlossenen Ortes, alle trotzdem anwesenden Touristen machen Strandspaziergang, inspizieren die Surfern oder gucken sich gegenseitig beim Urlaub machen zu. Mit gesenktem Blick gehe ich an dem roten VW-Bus mit Berliner Kennzeichen vorbei, an dem der Neoprenanzug zum Trocknen hängt. Ein kleiner Laden mit einem fidelen Verkäufer versorgt mich mit Orangina, Keksen und luftgetrockneter Salami und ich beschließe, heute Abend nicht Essen zu gehen.

Weil Urlaub ist, gehe ich schon um 2000 ins Bett, höre noch ein bißchen den Nachbarn unten im Garten zu und merke plötzlich beim letzten Blick aus der offenen Balkontür wieder die Vorfreude, die ich total vergessen hatte. Morgen geht's los. Morgen geht's in die Berge. Morgen geht's - nach Hause!

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