Sonntag, 25. März 2012

Bauern mit Gesprächsbedarf.

Sonntag, 25.03.2012
Tarbes nach Vic-en-Bigorre
5 h / 24 km

Nachdem mich erstmal die Zeitumstellung komplett aus dem Konzept gebracht hat, spare ich mir die 11,50 EUR für das Frühstück und kaufe lieber im Spar um die Ecke ein. Frisches Brot, Schinken, Frischkäse und - Orangina, der neue Treibstoff meines Körpers. Jede Cola lasse ich inzwischen für die himmlische Säure von Orangina in der Ecke stehen...

Der Platz vor dem Hotel ist mauseleer. Kein Mensch zu sehen. Vor dem Haus parkt ein Kleintransporter des "Super Rebelle Président!" mit dem herrlichen Slogan "Yes, tu peux!". (Abends finde ich im zittrig leeren Veranstaltungskalender der Region heraus, daß der Kollege einen humoristischen Auftritt in Ibos hatte. Ein Vordorf von Tarbes. Wahrscheinlich hat er auch seufzend seine Nacht in einem der Kleinstadthotels am Platz verbracht.) 

Die Straßen raus aus der Stadt sind wieder leer, alle schlafen noch. Nur ab und zu sieht man einen vereinsamten Alten, der ein Baguette fürs Frühstück holt. Und die Sonne ist auch schon früh aufgestanden. Volles Rohr, kaum Schatten, immer feste druff. Bei meiner Frühstücksrast sitze ich herrschaftlich im Schatten eines uralten Baumes, 200m weiter romantisch die Fernverkehrsstraße, schräg gegenüber wartet eine einsame Mülltonne auf meine Abfälle, eigentlich alles perfekt. Daß ich mehr oder weniger in einem Ameisenhaufen sitze, merke ich erst etwas später (P.S.: Die letzte Ameise habe ich noch am frühen Abend aus meinem Bett entfernt...).

Zwei Stunden weiter in Andrest ist das Wanderglück wieder da. Kurz vor dem Dorf verästelt sich der Bach, der mich bis zu den ersten Häusern begleitet, in zig kleine Kanäle, die sich durch das ganze Dorf ziehen. Überall gluckst und rauscht es, also ich durch die leeren Straßen zuckele. Und überall riecht es nach frischer Wäsche. Von diesem Geruch bekomme ich inzwischen weiche Knie -- frische Wäsche heißt immer auch zuhause. Bei meiner Zuhausesituation muß eine schnelle Handwäsche im Hotelwaschbecken ausreichen. Immerhin der Dorfplatz von Andrest ist gnädig: Eine echte Bank im Schatten der Kirche. Für genau 20min darf ich da sitzen, dann ich die Sonne um den Kirchturm rum und treibt den Wanderer wieder auf die Straße.

Endlose Feldwege ohne ein Fitzelchen Schatten, staubtrockene Nebenstraßen und toujours Sonne, das ist heute mein Schicksal. Hinter Pujo folge ich brav dem dick und deutlich eingezeichneten Weg auf meiner Karte, den seit 2km eine wunderschöne, 3m hohe Hecke begleitet und schon beginnt wieder der Murks. Großes Tor, geschlossen. Schild, "défense d'entrer". Dahinter pflügt der Bauer und ich kann durch das Tor wunderschön auf dem nächsten Kilometer den Verlauf des Weges verfolgen, den ich gerne genommen hätte. Mist. Also weiter an der Hecke entlang, über ein etwas improvisiertes Brücklein aus alten Telefonmasten, der seltsame Popel-Pfad hier geradeaus endet doch bestimmt gleich wieder, also gehen wir mal auf Nummer sicher und biegen trotz geschätzten 2km Umweg nach rechts zum Dorf ab. Vor dem ersten Haus wartet der Bauer im Freizeitlook auf mich. "Vous êtes sur une propriété privée." Er schickt mich wieder zurück, wenigstens erklärt er mir einigermaßen freundlich noch den Verlauf des weiteren Weges. Daß sich ein Bauernhof derart mit Zäunen und Hecken und Toren kilometerweit von der Außenwelt abschottet, hab ich auch echt noch nicht erlebt.

Auf den letzten Kilometern komme ich noch an einem interessanten Wochenendhäuschen vorbei. Irgendein Freak hat sich neben seinen Fischweiher ein kleines Betonschloß hingestellt. Es fehlt eigentlich nur die Zugbrücke. Disneyland fürs Wochenende.

Direkt dahinter beginnen die Neubaugebiete. Familien auf den Terrassen. Autos vor der halbfertigen Gartenmauer. Scheuklappen hoch - Augen zu und durch. Beim Einmarsch in Vic formt sich immer mehr das Wort "Eisdiele!?" in meinem Hirn, denn für ein 6.000-Einwohner-Kaff reihen sich hier viele Läden und Bars an der Hauptstraße entlang. Eisdiele ist nicht, dafür ein herrlich kühles Zimmer mit geschlossenen Jalousien, wo ich die ersten 2h meines restlichen Nachmittags erstmal die Sonne draußen vergesse. Das Restaurant ist heute Abend geschlossen und als mich später der Hunger auf die Straße treibt, reihe ich mich brav in die virtuelle Warteschlange des Pizzaladens ein, aber die Aussicht auf eine frische Pizza ist es mir echt wert. Lecker war es am Ende nicht, aber so kann ich wenigstens mit einem Bier in der Pfote noch ein bißchen dem Reigen der Dorfjugend zuschauen. Ist ja jetzt Gott sei Dank auch ne Stunde länger hell...

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